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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lohhof, da, wo die große Pappel steht. Ein Wunder, daß sie Lewin noch aufgespart haben. Aber wie lange? Sie haben ihn nach Küstrin gebracht, und wir müssen ihn freikriegen.«
    »Dat möten wi, dat möten wi.«
    »Und du sollst helfen.«
    »Dat will ick.«
    »Gut, so steck dies Knäuel ein und spiel es ihm heimlich zu. Er sitzt auf Bastion Brandenburg; Mencke hat mir's gestern abend geschrieben. Übereile nichts, laß dir Zeit, und wenn es auch Mittag wird. Aber sei schlau, so schlau, wie du sein kannst, wenn du willst, und vergiß nicht, es hängt Leben und Sterben dran.«
    »Ick weet, ick weet.«
    Der alte Vitzewitz schwieg eine Weile, während welcher Zeit Hoppenmarieken das Knäuel in ihre Kiepe packte; dann fuhr er fort: »Und nun tritt noch einmal hierher und paß auf und höre, was ich dir zu sagen habe.«
    Hoppenmarieken gehorchte.
    »Hier, wo du jetzt stehst, hier hat Lewin für dich gebeten, und weil er für dich bat, und bloß deshalb, hab ich dich laufen lassen. Sonst säßest du jetzt bei Wasser und Brot. Und das schmeckt dir nicht, denn du hast gern was Gutes.«
    »Jo, dat hebb ick.«
    »Sprich nicht. Du sollst mich hören. Und so sag ich dir denn: sieh dich vor. Ich habe viel Nachsicht und Geduld mit dir gehabt und die Augen öfter zugemacht, als recht war, aber wenn du wieder doppeltes Spiel spielst, so sei dir Gott gnädig. Kobold, ich trete dich unter die Füße und würge dich mit diesen meinen Händen.«
    Er hatte diese Drohung in innerster Erregung gesprochen; aber ihre Wirkung auf Hoppenmarieken war nur gering. Sie schüttelte bloß den Kopf, und ohne sich im übrigen im geringsten eingeschüchtert zu fühlen, wiederholte sie nur immer: »Gnäd'ge Herr, de junge Herr!« und salutierte dabei mit ihrem Hakenstocke, zum Zeichen, daß man sich auf sie verlassen könne. Es war dies auch besser und bedeutete mehr, als wenn sie bekräftigungshalber ihre Schwurfinger erhoben hätte. Dann griff sie wieder nach der Kiepe, lehnte den Rat, der ihr noch gegeben wurde, »sich wo möglich an die Westfalen zu machen«, mit der Bemerkung ab: »Ne, ick geih to de lütten Franzosen; de passen nich upp«, und verließ einen Augenblick später das Zimmer.
    Erst als sie zwischen den zwei Auffahrtspfeilern war, machte sie noch einmal mit militärischer Promptheit kehrt und grüßte nach dem Eckfenster hinauf. Wußte sie doch ganz bestimmt, daß der alte General ihr nachgesehen habe. Dieser lachte denn auch, nahm seinen kleinen Meerschaum in die Linke und warf ihr mit der Rechten Kußfingerchen zu.
    »'s bleibt doch ein Prachtexemplar, Vitzewitz«, sagte er. »Ich wollte, ich hätte so was in Groß-Quirlsdorf.«
    Berndt schwieg und stützte den Kopf. Nach einer Weile sagte er:
    »Bamme, Sie sind ein Menschenkenner. War es nicht gewagt, unser Spiel auf
diese
Karte zu setzen? Können wir ihr trauen?«
    »Unbedingt.«
    »Und warum? Weil ihr altes Hexenherz an Lewin hängt?«
    »Vielleicht auch deshalb. Etwas muß das Herz haben. Und je weniger es hat, desto fester hängt es dran. Es stirbt dafür. Gut oder böse macht keinen Unterschied.«
    Berndt nickte.
    »Aber«, fuhr Bamme fort, »das ist es nicht, weshalb ich ihr traue. Ich trau ihr, weil sie klug ist. Wissen Sie, was sie jetzt denkt?«
    »Nun?«
    »Die Franzosen werden nicht ewig im Lande Lebus bleiben, aber die Vitzewitze noch lange.«
    »Und?«
    »Und Bündnisse schließt man nur mit Dauermächten. Auch wenn man Hoppenmarieken heißt.«
     
Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
Im Weißkopf
    In denselben Stunden, in denen der über Lewins Gefangenschaft Auskunft gebende Brief den Weg von Frankfurt nach
Hohen-Vietz
hin machte, machte Lewin in Person den Weg von Frankfurt nach
Küstrin
. Nur die Breite des Flusses lag zwischen ihnen, und der alte Rysselmann, wenn er schärfer zugesehen hätte, hätte die französischen Eskorte-Mannschaften erkennen müssen, die drüben am neumärkischen Ufer ihre Straße zogen. Es waren Voltigeurs, ausgesuchte Leute, die man unter den Befehl eines alten, schon in Spanien gedienten Sergeanten gestellt hatte. Und solche Vorsichtsmaßregeln waren mit gutem Grunde getroffen worden, denn hatten es die Russen auch tags zuvor an gutem Willen und jedenfalls an Worthalten fehlen lassen, so waren sie doch in der Nähe, durchschwärmten die Neumark und machten sich recht eigentlich eine Aufgabe daraus, kleine feindliche Kommandos wegzufangen. Das erheischte nur geringe Opfer und machte von sich reden. Dieser Sachlage waren sich die

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