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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gemacht hatte, nur daß die Korbwände niedriger waren und der hohe Planbogen völlig fehlte. Statt dieses Planbogens war ein Stück schwarze, nach beiden Seiten hin tief herabhängende Wachsleinwand über den Wagenkorb gelegt und mittels eingeschnittener Löcher an den vier Speichen befestigt worden. In der Gabeldeichsel ging ein kleines struppiges Bauernpferd, und Pachaly, die Leinen in der Hand, saß auf dem Vorderbrett. Das zweite Gefährt war ein gewöhnlicher, aber sehr großer Fahrschlitten, den man sich, um eben dieser Größe willen, von Schulze Kniehase geborgt hatte. In diesem Schlitten saßen sechs Personen: Berndt und Hirschfeldt im Fond, ihnen gegenüber auf dem Rücksitze Tubal und Kniehase, vorne Krist und der junge Scharwenka. Krist fuhr. Die Ponies waren eingespannt, aber ohne Geläut.
    Was am meisten überraschen durfte, war, daß Bamme fehlte, und doch war eben dieses Fehlen für jeden, der ihn genauer kannte, in voller Übereinstimmung mit seinem Charakter. Die Frankfurter Affaire hatte weder innerlich seinen Mut gebrochen noch ihn äußerlich kleinlaut gemacht; aber durch und durch von Spielervorstellungen beherrscht, erging er sich seitdem in Versicherungen, daß er keine »glückliche Hand« habe. »Ohne ihn werd es besser gehen«, versicherte er ein Mal über das andere, und nur einen Augenblick lang, als der Schlitten mit der herabhängenden schwarzen Wachsleinwand vorgefahren war, war er in dieser seiner Überzeugung erschüttert worden. Und dabei hatte folgendes Zwiegespräch zwischen ihm und seinem neben ihm stehenden Aide de camp stattgefunden.
    »Was will nur der schwarze Kasten, Hirschfeldt? Schwarz und schräg und eine Zudecke darüber. Der reine Sarg. Soll mich wundern, wen sie hineinlegen werden.«
    »Vielleicht mich.«
    »Nein, Sie nicht, Hirschfeldt. Sie werden immer mit einem Prellschuß oder einer Kugel ins dicke Fleisch davonkommen... Aber was ist das nur, was dieser Tölpel von Pachaly da heranschleppt und in das Schlittenstroh hineinpackt? Sehen Sie nur, ›sechs Bretter und zwei Brettchen‹. Und jetzt zwei Grabscheite und eine Strickleine. Was
die
soll, weiß ich allenfalls, aber all das andere! Grabscheite und Bretter, und gerade sechs. Es schmeckt so nach Begräbnis.«
    Hirschfeldt, so kaltblütig er war, war doch schließlich durch diese Betrachtungen in eine wenig erbauliche Stimmung versetzt worden, und nur um etwas zu sagen, warf er hin: »Sie sind abergläubisch, General.«
    »Ja, das bin ich, Hirschfeldt, und ich habe meine Freude daran. Nehmen Sie mir das bißchen Aberglauben, so hab ich gar nichts und falle zusammen. Übrigens geht es den meisten Menschen so, und wem es nicht so geht, desto schlimmer. Sehen Sie die Schorlemmer. Die hat keinen Aberglauben. Aber was kommt dabei heraus? Eine Nußschale voll Weisheit und ein Scheffel Langeweile. Und eine Dormeuse darübergestülpt.«
    Bamme drehte sich seinen Schnurrbart und hatte das Gefühl, etwas apart Gutes gesagt zu haben. Aber seine ganze Oratio pro domo war von Hirschfeldt überhört worden, der mit seinen Vorstellungen immer noch bei »Sarg« und »Begräbnis« aushielt und endlich sagte: »So glauben Sie, General, daß wir von Küstrin her nicht viel anders heimkehren werden als von Frankfurt?«
    »Doch, Hirschfeldt. Ich bin nicht mit dabei, das ist eins; und das zweite ist, sie passen nicht auf. Ich meine die Franzosen. Ihr werdet ihn also freikriegen; aber einen Einsatz kostet's, ein Bein oder ein paar Rippen. Billiger habt ihr's nicht. Vielleicht aber teurer. Und deshalb gefällt mir der Kasten nicht.«
    So war das Gespräch zwischen Bamme und Hirschfeldt verlaufen; unmittelbar darauf hatten alle an der Expedition Teilnehmenden ihre Plätze eingenommen und fuhren in leichtem Trabe die Küstriner Chaussee hinauf. Als sie bis an die Stelle gekommen waren, wo vor zwei Tagen erst die »Revue« stattgefunden hatte, bogen sie nach rechts hin ab, passierten das Fichtenwäldchen an seinem nördlichen Rande und hielten sich nun scharf auf den Fluß zu. Die Wege waren hier schmal und meist verschneit, so daß sie Schritt fahren mußten. Und doch waren die Minuten berechnet. Berndt und Hirschfeldt wurden ungeduldig. Endlich hatten sie den Fluß vor sich, erkannten trotz der Dunkelheit die inmitten des Eises abgesteckte Fahrstraße und fuhren vorsichtig erst die Böschung hinunter und dann mit einer allmählichen Linksbiegung in die niedrige Kusselallee hinein. Und nun konnten sie wieder traben. Es war aber auch hohe

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