Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
keinen Eindruck machen auf diese erschütterte Seele, auf dieses Herz, worin Enttäuschungen so viel Haß aufgehäuft haben, auf diesen Unglücklichen, der von Ker Karraje und seinen Helfershelfern betrogen wird. Durch Nennung des wahren Namens des Grafen d’Artigas, dadurch, daß ich ihn über diese Verbrecherrotte und ihren Anführer aufklärte, hoffte ich, ihn der Beeinflussung durch dieselben zu entreißen, ihm das schändliche Ziel zu zeigen, worauf sie ihn hindrängten…. Ich habe mich getäuscht! Er glaubt mir nicht. Doch ob d’Artigas oder Ker Karraje, was thut’s?…
    Ist er, Thomas Roch, nicht der Herr von Back-Cup?… Ist er nicht der Besitzer all der Schätze, die zwanzig Jahre lange Mord-und Raubzüge hier angehäuft haben?
    Durch eine solche moralische Entartung entwaffnet und außer Stande, diese tief verletzte Natur, diese der Verantwortlichkeit für ihre Thaten unbewußte Seele irgendwie mit Erfolg zu treffen, weiche ich langsam nach der Thür des Laboratoriums zurück. Es bleibt mir nichts anders übrig, als davon zu gehen. Was da kommen soll, wird kommen, da es nicht in meine Macht gegeben war, die entsetzliche Lösung des Knotens, die uns in wenigen Stunden bedroht, zu verhindern.
    Thomas Roch sieht mich übrigens gar nicht mehr. Er scheint vergessen zu habe, daß ich hier bei ihm stehe, ebenso wie er vergessen hat, was eben zwischen uns gesprochen wurde. Er geht wieder an seine Arbeit, ohne darauf zu achten, daß er nicht allein ist.
     

    Die ganze Bande ist jetzt versammelt. (S. 205.)
     
    Es bleibt mir nur ein Mittel übrig, die bevorstehende Katastrophe zu verhindern… ich müßte mich auf Thomas Roch stürzen… ihn außer Stand setzen, schaden zu können… ihn niederschlagen… tödten… Ja, ihn tödten! Das ist mein Recht… meine Pflicht.
    Waffen hab’ ich zwar nicht, doch dort auf dem Regale liegen Werkzeuge… ein Meißel, ein Hammer. Wer hindert mich, dem Erfinder den Schädel zu zertrümmern?… Ist er todt, so zerbrech’ ich die Flaschen und seine Erfindung ist mit ihm gestorben. Dann können die Schiffe herandampfen, können ihre Mannschaften auf Back-Cup landen… das Eiland zusammenschießen!… Ker Karraje und seine Spießgesellen werden bis zum letzten ausgerottet… Kann ich vor einem Morde zurückschrecken, der endlich die Bestrafung für so viele Verbrechen ermöglicht?…
    Ich nähere mich dem Regale… Da liegt der stählerne Meißel… schon will ich ihn ergreifen…
    Da wendet Thomas Roch sich um.
    Es ist zu spät, ihn niederzuschlagen… ohne Kampf ginge das nicht ab… ein Kampf bedeutet aber Geräusch… Sein Rufen würde gehört werden… In der Nähe sind noch einige Piraten… Ich höre sogar Schritte, die im Sande knirschen… Jetzt gilt es zu entfliehen, um mich hier nicht überraschen zu lassen…
    Ein letztes Mal will ich nur versuchen, in dem Erfinder die Gefühle der Vaterlandsliebe zu erwecken.
    »Thomas Roch, sag’ ich zu ihm, es sind Kriegsschiffe in Sicht… sie kommen, um diesen Schlupfwinkel zu zerstören… vielleicht führt eins derselben die Flagge Frankreichs…«
    Thomas Roch sieht mich an. Er wußte noch nicht, daß Back-Cup angegriffen werden sollte, und ich hab’ es ihm mitgetheilt…. Die Falten seiner Stirn vertiefen sich… in seinen Augen flammt es auf…
    »Thomas Roch, würden Sie es über sich gewinnen, auf die Flagge Ihres Vaterlands, auf die dreifarbige Fahne zu feuern?«
    Der Halbirre erhebt den Kopf, schüttelt ihn nervös und macht dann eine wegwerfende Bewegung.
    »Wie?… Ihr Vaterland…
    – Ich habe kein Vaterland mehr, Simon Hart! ruft er laut. Der abgewiesene Erfinder kennt kein Vaterland mehr!… Da, wo er Zuflucht findet, da ist sein Vaterland!… Man will sich meines Eigenthums bemächtigen… ich werde es vertheidigen… und wehe denen, die die Hand danach erheben!«
    Damit eilt er nach der Thür des Laboratoriums und stößt sie heftig auf:
    »Hinaus! Hinaus mit Ihnen!« ruft er mir so laut zu, daß man ihn am Ufer vor Bee-Hive hören muß.
    Ich habe keine Secunde zu verlieren und entfliehe aus dem Bannkreise des erzürnten Erfinders.
Siebzehntes Capitel.
Eine gegen Fünf.
    Eine Stunde lang bin ich unter der dunkeln Wölbung von Back-Cup umhergeirrt, zwischen den steinernen Pfeilern und bis zum äußersten Ende der Höhle. Hier hab’ ich so viele Male nach einem Ausgange gesucht, nach einer Spalte, einem Riß in der Wand, wohindurch ich hätte schlüpfen und nach dem Ufer des Eilands gelangen können.
    Meine

Weitere Kostenlose Bücher