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Vor der Flagge des Vaterlands

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Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nachgekommen
    wäre, hätten wohl eine oder zwei Kugeln gereicht, sie dazu
    zu zwingen.
    Da stieß ein Boot mit zwei Offizieren und zehn Matro-
    sen vom Kreuzer ab und steuerte so, daß es der ›Ebba‹ den
    Weg verlegen mußte.
    Graf d’Artigas beobachtete dieses Manöver von dem
    Platz aus, wo er auf dem Hinterdeck saß und sich ruhig eine
    Havannazigarre angezündet hatte, mit äußerster Gleichgül-
    tigkeit.
    Als das Boot nur noch eine halbe Kabellänge entfernt
    war, erhob sich einer der Leute darin und schwenkte eine
    Fahne.
    »Das Signal zum Anhalten«, sagte Ingenieur Serkö.
    »Ja . . . tatsächlich«, antwortete Graf d’Artigas.
    »Man gibt uns den Befehl, zu warten . . .«
    »Nun, dann warten wir eben.«
    Kapitän Spade ging sofort daran zu brassen. Die Se-
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    gel der beiden Masten wurden also so eingestellt, daß der
    Druck des Windes darauf sich gegenseitig aufhob.
    Die Fahrt der Goélette wurde damit unterbrochen; sie
    glitt allmählich langsamer dahin und stand endlich soweit
    still, daß sie nur der Ebbestrom, der durch die Wasserstraße
    nach dem Meer zu verlief, ein wenig fortbewegte.
    Einige Ruderschläge brachten das Boot von der ›Falcon‹
    Bord an Bord mit der ›Ebba‹. Ein Bootshaken wurde in die
    Rüsten des Großmasts eingelegt. Die Leiter an der Lücke
    der Schanzkleidung rollte hinunter und zwei Offiziere mit
    acht Mann stiegen an Bord, während zwei Matrosen im
    Boot zurückblieben.
    Die Mannschaft der Goélette stellte sich in Ordnung am
    Vorderkastell auf.
    Der höhere Offizier von den beiden, ein Schiffsleutnant,
    trat auf den Eigentümer der ›Ebba‹ zu, der sich schon grü-
    ßend erhoben hatte, und zwischen den Herren kam es zu
    folgenden Fragen und Antworten:
    »Diese Goélette gehört Graf d’Artigas, den ich wohl die
    Ehre habe, vor mir zu sehen?«
    »Ja, Herr Leutnant.«
    »Das Schiff heißt?«
    »›Ebba‹.«
    »Und steht unter dem Kommando von?«
    »Von Kapitän Spade.«
    »Seine Nationalität?«
    »Indo-malaiisch.«

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    — 72 —
    Der Offizier warf einen Blick nach der Flagge der Goé-
    lette, während Graf d’Artigas fortfuhr:
    »Darf ich wohl nach der Veranlassung fragen, Herr Leut-
    nant, der ich das Vergnügen Ihres Besuchs hier verdanke?«
    »Es ist Befehl ergangen«, erwiderte der Offizier, »alle
    Fahrzeuge zu durchsuchen, die zur Zeit auf dem Pamplico-
    Sund ankern oder aus ihm wegsegeln wollen.«
    Er glaubte nicht hervorheben zu sollen, daß die ›Ebba‹
    mehr als jedes andere Fahrzeug der genauesten Durchsu-
    chung unterzogen werden sollte.
    »Sie, Herr Graf, verweigern ohne Zweifel nicht, daß wir . . .«
    »Oh, in keiner Weise, Herr Leutnant«, antwortete Graf
    d’Artigas. »Meine Goélette steht ganz zu Ihrer Verfügung . . .
    vom Top der Masten bis zum Grund des Laderaums. Ich
    gestatte mir nur die Frage, weshalb die Fahrzeuge, die sich
    heute auf dem Pamplico-Sund befinden, einer so rigorosen
    Maßnahme unterworfen werden.«
    »Ich habe keinen Grund, Sie darüber im unklaren zu
    lassen, Herr Graf«, antwortete der Offizier ohne zu zö-
    gern. »Dem Gouverneur von Carolina ist eine in Healthful
    House vorgefallene Entführung gemeldet worden, und die
    Regierung will sich überzeugen, daß die entführten Perso-
    nen nicht im Lauf der Nacht auf ein Schiff gebracht wor-
    den sind.«
    »Wäre das denkbar?« sagte Graf d’Artigas mit dem Aus-
    druck der Überraschung. »Und wer sind die Personen, die
    auf so rätselhafte Weise aus Healthful House verschwunden
    sind?«
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    »Ein Erfinder, ein halb Wahnsinniger, und sein Wäch-
    ter.«»Ein Wahnsinniger, Herr Leutnant? ... Sie meinen doch
    nicht etwa den Franzosen Thomas Roch?«
    »Ganz recht, um den handelt es sich.«
    »Diesen Thomas Roch hab’ ich noch gestern bei einem
    Besuch der Anstalt gesehen. Ich stellte ihm im Beisein des
    Direktors einige Fragen, und er verfiel, als wir, Kapitän
    Spade und ich, ihn verließen, in einen Zustand fast tobsüch-
    tiger Aufregung.«
    Der Offizier beobachtete den Fremden mit gespannter
    Aufmerksamkeit. Er bemühte sich offenbar, in dessen Be-
    nehmen oder Worten etwas Verdächtiges zu entdecken.
    »Das ist doch kaum glaublich!« fügte Graf d’Artigas
    hinzu.
    Er sagte das so, als hörte er jetzt das erste Wort von der
    Entführung aus Healthful House.
    »Ich begreife, Herr Leutnant«, fuhr er fort, »daß sich die
    Regierung, da es sich um Thomas Roch handelt, sehr be-
    unruhigt fühlt, und ich billige vollständig die

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