Vor der Flagge des Vaterlands
Wasser rauschende Kiel seine Schwimmlinie
durch einen langen Schaumstreifen bezeichnet. Bis weit zu-
rück bleibt das wirbelnde Wasserband hinter uns sichtbar.
Das Schiff wäre demnach eine Dampfyacht? . . . Nein!
Zwischen Fock- und Großmast erhebt sich kein Schorn-
stein . . . Sollte es ein elektrisches Fahrzeug sein, dessen
Schraube durch Akkumulatoren oder durch mächtige gal-
vanische Batterien in Bewegung gesetzt wird und die ihm
eine so beträchtliche Geschwindigkeit verleihen? . . .
Ich wußte diese Art der Fortbewegung in der Tat kaum
anders zu erklären. Da der eigentliche Antriebsmechanis-
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mus auf jeden Fall aus einer Schraube bestehen muß, müßte
ich die, wenn ich mich über die Reling hinausbeuge, doch
arbeiten sehen und hätte mich nur noch über die Kraft-
quelle, die sie bewegt, zu informieren.
Der Steuermann läßt mich unbehindert an das Achter
herantreten, wirft mir jedoch einen ironischen Blick zu.
Ich beuge mich hinaus . . . sehe nach unten . . .
Keine Spur von dem Durcheinanderwirbeln, das eine
Schraube doch hätte erzeugen müssen. Nur ein oben glattes
Kielwasser, das sich 3 bis 4 Kabellängen weit ausdehnt, ganz
genauso, wie es ein dahinsegelndes Fahrzeug hervorbringt.
Doch welcher Art ist nun die Kraftmaschine, der die Goé-
lette diese wunderbare Geschwindigkeit verdankt? Ich habe
schon gesagt, daß der Wind eher ungünstig stand, und das
Meer erhebt sich nur in langen, niedrigen Wogen, die keine
Schaumkämme bilden.
Das wird mir nicht unbekannt bleiben, und ohne daß die
Mannschaft auf meine Person achtet, begebe ich mich wie-
der nach dem Bug.
An der Treppenkappe dort angelangt, sehe ich mich ei-
nem Mann gegenüber, dessen Gesicht mir nicht unbekannt
erscheint. Auf den Treppenüberbau gestützt, läßt der Mann
mich herankommen . . . er sieht mich an, als erwartete er,
daß ich ihn anrede . . .
Jetzt entsinn’ ich mich. Das ist der Mann, der Graf
d’Artigas bei seinem Besuch in Healthful House beglei-
tete . . . Ganz sicher . . . ich kann mich nicht täuschen . . . Der
reiche Fremdling also ist es, der Thomas Roch entführt hat,
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und ich befinde mich an Bord der ›Ebba‹, seiner Yacht, die
in den Gewässern des östlichen Amerika so wohlbekannt
ist! . . . Nun gut! Der Mann, der hier vor mir steht, wird
mir sagen, was ich zu erfahren ein Recht habe. Ich erinnere
mich, daß er wie Graf d’Artigas englisch sprach. Er wird
mich verstehen und sich nicht weigern, auf meine Fragen
zu antworten.
Meiner Meinung nach muß dieser Mann der Kapitän der
›Ebba‹ sein.
»Herr Kapitän«, beginne ich, »Sie hab’ ich schon in
Healthful House im Pavillon des französischen Erfinders
gesehen. Erkennen Sie mich wieder?«
Er begnügt sich mit einem forschenden Blick auf mich,
würdigt mich aber keiner Antwort.
»Ich bin der Krankenpfleger Gaydon«, fahre ich fort,
»der Pfleger Thomas Rochs, und ich möchte wissen, warum
Sie mich entführt und an Bord dieser Goélette gebracht ha-
ben?«
Mein Gegenüber unterbricht mich durch ein Zeichen,
doch richtete er es nicht an mich, sondern an einige beim
Vorderkastell befindliche Matrosen.
Einer davon tritt auf mich zu, packt mich am Arm und
nötigt mich, ohne sich um eine zornige Bewegung, die ich
nicht unterdrücken kann, zu kümmern, die Treppe an der
Luke nach den Mannschaftsräumen hinabzusteigen.
Diese Treppe besteht freilich nur aus einer eisernen Lei-
ter, die senkrecht dicht neben der Wand angebracht ist. Auf
dem ersten Absatz befindet sich an jeder Seite eine Tür, die
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die Verbindung zwischen dem Volkslogis, der Wohnung des
Kapitäns und anderer daran stoßender Kabinen vermittelt.
Will man mich aufs neue in den finsteren Behälter ste-
cken, worin ich mich schon vorher tief unten im Laderaum
befand?
Die Leute führen mich nach einer links gelegenen Ka-
bine, die durch eine Lichtluke im Rumpf erhellt wird. Der
kreisrunde Eisenrahmen ist jetzt aufgeschlagen und läßt
reichlich frische Luft eindringen. Die Ausstattung des
Raums bildet ein Lager mit Bettzeug und Decke, ein Tisch,
ein Lehnstuhl, eine Toilette und ein Schrank . . . alles höchst
sauber.
Auf dem Tisch stehen Teller usw. für mich. Ich brauche
nur Platz zu nehmen, und als der Küchenjunge sich entfer-
nen will, nachdem er einige Schüsseln hingesetzt hat, richte
ich das Wort an ihn.
Wiederum ein Stummer! Es ist ein halber Knabe
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