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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geschah es ohne Zweifel in der Absicht,
    ihn nach außerhalb der Vereinigten Staaten, wahrschein-
    lich nach einer weltverlassenen Insel oder nach irgendei-
    nem Punkt der Alten Welt zu schaffen. Unser schwimmen-
    der Apparat kann also den ziemlich kurzen Lauf der Neuze
    stromauf nicht gehen . . . Wir treiben jetzt auf dem Wasser
    des Pamplico-Sunds, der ausnahmsweise ganz ruhig ist.
    Ist das Fahrzeug erst ins freie Wasser gekommen, dann
    kann es Schwankungen durch den Wellenschlag nicht ent-
    gehen, der ja seine Wirkung, selbst bei völlig abgeflauter
    Brise, auch auf große Schiffe äußert. Ich müßte mich denn
    gerade an Bord eines Kreuzers oder eines ganz tief gehen-
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    den Panzerschiffs befinden, und das ist doch kaum anzu-
    nehmen.
    In diesem Augenblick scheint es mir, als ob . . . wahrhaf-
    tig, ich täusche mich nicht . . . im Innern entsteht ein Ge-
    räusch . . . ein Geräusch von Schritten . . . die Schritte nä-
    hern sich der Eisenblechwand, in der sich die Tür zu meiner
    Kammer befindet. Das sind jedenfalls Leute von der Besat-
    zung . . . Wird sich diese Tür endlich öffnen? . . . Ich lau-
    sche . . . draußen sprechen Leute . . . ich vernehme ihre Stim-
    men . . . ich kann sie aber nicht verstehen. Sie bedienen sich
    einer mir unbekannten Sprache . . . Ich rufe . . . Ich schreie . . .
    Keine Antwort!
    Es gilt also zu warten, zu warten, immer noch zu warten!
    Ich wiederhole mir dieses Wort . . . es hämmert mir im Kopf,
    wie der Klöppel einer Glocke.
    So sei es versucht, die Zeit abzuschätzen, die bis jetzt ver-
    strichen ist.
    Ich kann sie, seit das Schiff abgefahren ist, auf nicht mehr
    als 4 bis 5 Stunden berechnen. Nach meiner Schätzung muß
    Mitternacht vorüber sein. Leider kann mir meine Uhr in
    dieser tiefen Finsternis nichts nützen.
    Sind wir aber schon 5 Stunden unterwegs, dann muß das
    Schiff aus dem Pamplico-Sund heraus sein, es mag nun das
    Ocracoke- oder das Hatteras-Inlet zur Durchfahrt benutzt
    haben. Ich glaube also, daß es sich, etwa 1 gute Seemeile von
    der Küste, auf dem Meer befindet. Und dennoch keine Be-
    wegung vom Seegang oder einer Dünung? . . .
    Das ist unerklärlich . . . fast nicht glaublich . . . Doch wie,

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    wenn ich mich nun doch getäuscht hätte . . . wenn ich nur
    das Opfer einer Illusion geworden wäre! . . . Bin ich etwa gar
    nicht im Laderaum eines fahrenden Schiffes eingeschlos-
    sen? . . .
    Noch 1 Stunde verstreicht, das Zittern der Maschinen
    hat aufgehört. Das Fahrzeug, das mich davonträgt, muß
    jetzt stillliegen . . . Sollte es schon seinen Bestimmungs-
    ort erreicht haben? . . . In diesem Fall könnte das nur ei-
    ner der Häfen im Norden oder Süden des Pamplico-Sunds
    sein. Doch wie wäre es wahrscheinlich, daß der aus Health-
    ful House entführte Thomas Roch wieder auf dem Festland
    abgesetzt werden sollte? . . . Die Entführung müßte da sehr
    bald bekannt werden, und ihre Urheber setzten sich in ei-
    nem der Häfen der Union der Gefahr aus, entdeckt zu wer-
    den.Ist das Fahrzeug nun tatsächlich irgendwo eingelaufen,
    dann muß ich doch das Rasseln der Ankerketten in den
    Klüsen hören, und wenn es der Anker von weiterem Fort-
    treiben aufhält, muß es einen deutlichen Ruck geben. Das
    kann bis dahin nur noch wenige Minuten dauern.
    Ich warte . . . ich lausche . . .
    Nichts . . . ein düsteres, beunruhigendes Schweigen
    herrscht an Bord. Man möchte fast fragen, ob sich auf die-
    sem Schiff außer mir noch andere lebende Wesen befin-
    den . . .
    Jetzt umfängt mich eine lähmungsartige Schwäche . . .
    Die Luft ist zu schlecht geworden; ich kann kaum noch at-
    men . . . auf der Brust lastet es mir wie ein Bleigewicht, des-
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    sen ich mich nicht entledigen kann . . . Die Lider werden
    mir immer schwerer . . . schließen sich . . . ich verfalle einer
    furchtbaren Erschöpfung, die mich unwiderstehlich ein-
    schläfern wird . . .
    Wie lange hab’ ich denn geschlafen? Ich weiß es nicht.
    Ist’s jetzt Tag oder Nacht? . . . Ich könnte es nicht sagen. Was
    ich aber zuerst wahrnehme, ist, daß meine Atmung leichter
    geht. Jetzt füllen sich meine Lungen mit einer Luft, die nicht
    mehr wie vorher mit Kohlensäure überladen ist.
    Ist die Luft erneuert worden, während ich schlief ? . . . Hat
    jemand den Behälter geöffnet? . . . Ist ein Mensch in mei-
    nem engen Kerker gewesen? . . .
    Ja . . . hier hab’ ich den Beweis dafür.
    Ganz zufällig ergreift meine Hand einen Gegenstand . . .
    ein

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