Vor der Flagge des Vaterlands
folgendes:
Nachdem er sich neben den Großmast begeben hat, des-
sen Segelwerk seine Blicke vergebens gesucht haben, tritt er
ganz dicht heran, schlägt seine Arme darum und versucht
ihn herauszuziehen, indem er an der Nagelbank rüttelt.
Die Fruchtlosigkeit seines Versuchs erkennend, ver-
sucht er noch einmal am Fockmast, was ihm am Großmast
mißlungen ist. Seine nervöse Erregung steigert sich immer
mehr, unartikulierte Schreie folgen den sinnlosen Worten,
die ihm entschlüpfen . . .
Plötzlich stürzt er sich auf die Wanten am Backbord,
klammert sich daran an, und ich frage mich, ob er sich
nicht hinaufschwingen und bis zur Spitze der Stenge klet-
tern wird . . .
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Doch wenn man ihn nicht zurückhält, läuft er Gefahr,
auf das Deck herabzustürzen oder durch eine Schlingerbe-
wegung ins Meer geschleudert zu werden.
Schon springen einige Matrosen auf ihn zu, umfassen
ihn, können ihn aber nicht von den Wanten abzerren, so
fest halten sich seine Hände daran. Bei einem Anfall, das
weiß ich, sind seine Kräfte verdoppelt, und um seiner Herr
zu werden, hab’ ich oft noch andere Pfleger zu Hilfe nehmen
müssen. Diesmal überwältigen die Leute von der Goélette –
große urkräftige Burschen – den unglücklichen Kranken.
Thomas Roch wird langsam auf das Deck gelegt, wo ihn
zwei Matrosen trotz seines Widerstands festhalten.
Jetzt gilt es nur noch, ihn in die Kabine hinunterzubrin-
gen und ihm Ruhe zu gönnen, bis der Anfall vorüber ist.
Das geschieht denn auch, entsprechend der Anordnung ei-
ner anderen Persönlichkeit, deren Stimme mir jetzt ans Ohr
schlägt.
Ich wende mich um und erkenne den Mann.
Es ist Graf d’Artigas mit demselben düsteren Gesichts-
ausdruck und herrischen Auftreten, wie ich ihn in Health-
ful House gesehen habe.
Sofort gehe ich auf ihn zu. Ich muß eine Erklärung be-
kommen . . . ich werde sie erhalten.
»Mit welchem Recht, Herr Graf . . .«, beginne ich.
»Mit dem Recht des Stärkeren«, schneidet Graf d’Artigas
meine Frage ab.
Damit begibt er sich nach dem Heck, während die Leute
Thomas Roch in seine Kabine schaffen.
— 116 —
7. KAPITEL
2 Tage Seefahrt
Wenn es die Umstände erfordern, muß ich Graf d’Artigas
doch vielleicht gestehen, daß ich der Ingenieur Simon
Hart bin. Wer weiß, ob man mir dann nicht mehr Rück-
sicht erweist, als wenn ich der Pfleger Gaydon bleibe. Das
will jedoch überlegt sein. Noch immer beherrscht mich der
Gedanke, daß der Eigentümer der ›Ebba‹, als er den fran-
zösischen Erfinder entführen ließ, das in der Absicht tat,
sich dessen Geheimnis anzueignen und der einzige Besit-
zer des Fulgurator Roch zu werden, für den weder die Alte
noch die Neue Welt den ungeheuren, widersinnigen Preis
anlegen wollte, der dafür verlangt wurde. Falls sich Thomas
Roch nun doch einmal verraten sollte, wäre es freilich bes-
ser, wenn ich noch immer um ihn sein könnte, mir meine
früheren Obliegenheiten verblieben und ich mit der Für-
sorge betraut wäre, die sein Zustand erforderte. Ja, ich muß
nur die Möglichkeit erhalten, alles zu sehen, alles zu hö-
ren . . . wer weiß es vorher? . . . vielleicht endlich zu erfahren,
was mir in Healthful House zu wissen versagt blieb.
Wohin steuert nun die Goélette?
Wer ist eigentlich dieser Graf d’Artigas?
Die erste Frage wird ohne Zweifel in wenigen Tagen ge-
klärt sein, bei der Schnelligkeit, mit der diese Vergnügungs-
yacht unter der Wirkung eines Antriebsmechanismus da-
hinfährt, dessen Natur ich schon noch erkennen werde.
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Was die zweite Frage angeht, ist es weniger sicher, ob ich
sie je werde aufhellen können.
Meiner Ansicht nach muß dieser rätselhafte Mann sehr
großes Interesse daran haben, seine Herkunft zu verschlei-
ern, und ich fürchte, es wird mich kein Zeichen darauf füh-
ren, seine Nationalität festzustellen. Wenn Graf d’Artigas
geläufig englisch spricht – wovon ich mich bei seinem Be-
such im Pavillon Nr. 17 ja überzeugen konnte – so klingt
dabei doch ein rauher, vibrierender Tonfall durch, der den
nordischen Völkern nicht eigen ist. Das erinnert mich an
nichts von allem, was ich auf meinen Reisen durch beide
Welten gehört habe, höchstens an die charakteristische
Härte der Sprachen im Malaien-Archipel. Und wirklich, bei
seinem warmen, fast olivenfarbigen Teint, der ins Kupfer-
farbene hinüberspielt, dem gekräuselten, ebenholzschwar-
zen Haar, dem aus tiefem Augapfel
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