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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wirft mir nur einen grimmigen
    Blick zu.
    Während er nun unter der Treppenkappe verschwindet,
    läßt er mich bei Ingenieur Serkö stehen.
    »An Ihrer Stelle, Gaydon, würd’ ich mich ins Unvermeid-
    liche fügen«, sagt dieser lächelnd. »Wenn man einmal zwi-
    schen Zahnrädern steckt . . .«
    »So darf man doch schreien, vermut’ ich . . .«
    »Wozu, wenn niemand in der Nähe ist, Sie zu hören?«
    »Man wird mich später hören, Herr Ingenieur!«
    »Später? . . . Oh, das liegt in weiter Ferne! . . . Im übrigen
    rufen, schreien Sie nur, soviel es Ihnen beliebt!«
    Mit diesem ironischen Ratschlag überläßt mich Inge-
    nieur Serkö meinen Gedanken.
    — 125 —
    Es war 4 Uhr, als ein großes Schiff 6 Seemeilen im Osten
    gemeldet wurde, das fast direkt auf uns zukam. Es bewegt
    sich schnell vorwärts und nimmt zusehends an Größe zu.
    Aus seinen zwei Schornsteinen steigen schwarze Rauchwir-
    bel empor. Es ist ein Kriegsschiff, denn es flattert ein langer
    Wimpel am Top seines Großmasts, und obgleich es an der
    Spitze der Gaffel keine Flagge trägt, glaub’ ich darin doch ei-
    nen Kreuzer der Bundesflotte zu erkennen.
    Ich frage mich, ob ihm die ›Ebba‹ den herkömmlichen
    Salut erweisen wird, wenn sie ihm gegenüber segelt.
    Nein, eben jetzt fällt die Goélette um ein Viertel ab, of-
    fenbar in der Absicht, sich von dem anderen Schiff zu ent-
    fernen.
    Dieses Manöver setzt mich bei einer so verdächtigen
    Yacht nicht in Erstaunen. Was mich aber sehr überrascht,
    ist die Art und Weise, wie Kapitän Spade manövriert.
    Nachdem er sich auf den Bug nah der Winde begeben
    hat, bleibt er vor einem kleinen Signalapparat stehen, der
    etwa denen gleicht, die für die Übermittlung von Befeh-
    len an den Maschinenraum gebräuchlich sind. Als er nur
    auf einen Knopf dieses Apparats gedrückt hatte, fiel die
    ›Ebba‹ um ein Viertel nach Südost ab, während einige von
    der Mannschaft die Schoten der Segel langsam nachschie-
    ßen ließen.
    Offenbar ist dem Führer der – oder ›irgendeiner‹ – Ma-
    schine ›irgendein‹ Befehl zugegangen, der der Goélette un-
    ter der Wirkung ›irgendeines‹ Motors diese unerklärliche
    Kursabweichung aufzwingt.
    — 126 —
    Als nächste Folge dieses Manövers entfernt sich die
    ›Ebba‹ in schräger Richtung von dem Kreuzer, der seine bis-
    herige Richtung beibehalten hat. Welche Ursache hätte ein
    Kriegsschiff aber, eine Vergnügungsyacht, die doch keiner-
    lei Verdacht erregen konnte, aus ihrem Kurs abzudrängen?
    Ganz anders gestaltet sich aber das Verhalten der ›Ebba‹,
    als gegen 6 Uhr abends ein anderes Schiff durch die Kran-
    balken des Backbords sichtbar wird. Jetzt nimmt Kapitän
    Spade, statt ihm auszuweichen, und nach Erteilung eines
    weiteren Befehls – so erscheint es mir – durch den genann-
    ten Apparat, wieder die frühere Richtung nach Osten, was
    ihn in das Fahrwasser jenes Schiffes bringen muß.
    1 Stunde später liegen die beiden Fahrzeuge, durch eine
    Wasserstrecke von 3 bis 4 Seemeilen getrennt, einander
    längsseitig gegenüber.
    Der Wind hat sich jetzt vollständig gelegt. Das für lange
    Fahrt gebaute andere Schiff, ein dreimastiges Handelsfahr-
    zeug, ist damit beschäftigt, seine oberen Segel einzuziehen.
    Mit einem Wiederauffrischen des Windes vor Anbruch des
    nächsten Tages ist nicht zu rechnen, und morgen muß der
    Dreimaster bei diesem ruhigen Meer sicher noch an seiner
    Stelle liegen. Die von ihrem geheimnisvollen Mechanismus
    angetriebene ›Ebba‹ nähert sich ihm weiter.
    Selbstverständlich hat Kapitän Spade das Einziehen der
    Segel angeordnet, und das geschieht unter Leitung des Ober-
    steuermanns Effrondat mit der Schnelligkeit, die man an
    Bord von Vergnügungsyachten oft mit Bewunderung beob-
    achtet.

    — 127 —
    — 128 —
    Als es anfängt, Nacht zu werden, befinden sich die bei-
    den Fahrzeuge nur noch etwa anderthalb Meilen voneinan-
    der entfernt.
    Da wendet sich Kapitän Spade mir zu, tritt am Steuer-
    bord an mich heran und veranlaßt mich ohne viele Um-
    stände, nach meiner Kabine hinunterzugehen.
    Mir bleibt nichts übrig, als zu gehorchen. Bevor ich je-
    doch das Verdeck verlasse, bemerke ich, daß der Obersteu-
    ermann die Positionslichter nicht anzünden läßt, obwohl
    die des Dreimasters – ein grünes an Steuerbord und ein ro-
    tes an Backbord – bereits brennen.
    Ich hege keinen Zweifel, daß die Goélette im Fahrwasser
    jenes Schiffes unbemerkt vorüberzukommen beabsichtigt.
    Ihre Fahrt hat

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