Vor der Flagge des Vaterlands
Nähe des Backbords. Ingenieur Serkö und Kapi-
tän Spade beginnen mit ihm ein leise geführtes Gespräch.
Alle drei nehmen die Marinefernrohre vor die Augen
und suchen den Horizont von Südost bis Nordost ab.
Natürlich richten sich meine Blicke ebenfalls dahin, da
ich aber kein Fernrohr habe, kann ich nichts sehen.
Nach dem Mittagessen sind wir alle wieder auf Deck, mit
Ausnahme Thomas Rochs, der seine Kabine noch nicht ver-
lassen hat.
Gegen halb 2 wird von einer der auf dem Kreuzholz des
Fockmasts auslugenden Wachen Land in Sicht gemeldet. Da
die ›Ebba‹ mit außerordentlicher Geschwindigkeit dahin-
treibt, muß auch ich bald die ersten Linien einer Küste auf-
tauchen sehen.
2 Stunden später erhebt sich in der Tat die etwa 8 See-
— 135 —
— 136 —
meilen lange Silhouette eines Landes. Mit der Annäherung
der Goélette treten seine Umrisse immer schärfer hervor. Es
sind die eines Berges oder wenigstens eines hoch aufragen-
den Landes. Über seinem Gipfel schwebt eine Rauchwolke,
die langsam zum Himmel aufsteigt.
Ein Vulkan in dieser Gegend? . . . Dann wäre das doch . . .
8. KAPITEL
Back-Cup
Meiner Ansicht nach hat die ›Ebba‹ in diesem Teil des At-
lantischen Ozeans auf keine andere Inselgruppe als auf die
der Bermudas treffen können. Das ergibt sich schon aus der
von der amerikanischen Küste aus durchmessenen Entfer-
nung und aus der Richtung, die wir vom Pamplico-Sund
an eingehalten haben. Diese Richtung war stets eine südöst-
liche, und die Entfernung mag, nach der Geschwindigkeit
beurteilt, etwa 900 bis 1.000 Kilometer betragen.
Die Goélette hat ihre Fahrt noch nicht verlangsamt. Graf
d’Artigas und Ingenieur Serkö bleiben auf dem Heck, nah
bei dem Mann am Steuer. Kapitän Spade hat sich nach dem
Vorderdeck begeben.
Werden wir nun an diesem scheinbar isolierten Eiland
vorüberfahren und es im Westen liegen lassen?
Das ist nicht wahrscheinlich, da ja Tag und Stunde der
für die Ankunft der ›Ebba‹ in ihrem Heimathafen bezeich-
neten Zeit zutreffen.
— 137 —
Schon halten sich die Matrosen bereit zu ihrer Arbeit auf
dem Verdeck und der Obersteuermann Effrondat trifft die
ersten Maßnahmen zu einer bevorstehenden Landung oder
Verankerung des Schiffes.
Vor 2 Uhr werd’ ich wissen, woran ich bin, und damit die
erste Antwort auf die Fragen finden, die mich beschäftigt
haben, seit die Goélette jetzt auf dem Meer schwimmt.
Und doch ist es so unwahrscheinlich, daß der Heimat-
hafen der ›Ebba‹ gerade an einer der Bermudas-Inseln, also
auf britischem Gebiet läge, wenigstens wenn Graf d’Artigas
Thomas Roch nicht zugunsten Großbritanniens entführt
hat . . . eine Hypothese, die kaum zulässig erscheint.
Unzweifelhaft ist es, daß der seltsame Mann mich jetzt
mit merkwürdiger Beharrlichkeit im Auge behält.
Obgleich er nicht ahnen kann, daß ich der Ingenieur Si-
mon Hart bin, wird er sich doch fragen, was ich von die-
sem Abenteuer wohl denken mag. Ist der Pfleger Gaydon
auch nur ein armer Teufel, so wird sich dieser arme Teufel
doch ebensogut darum Sorge machen, was ihm nun bevor-
steht, wie sonst irgendein vornehmer Herr, und wäre das
auch der Besitzer dieser phantastischen Vergnügungsyacht
selbst. Immerhin bin ich etwas erstaunt, ja unruhig über die
Zähigkeit, womit jener durchdringende Blick sich an mich
heftet.
Und wenn Graf d’Artigas hätte erraten können, inwie-
weit mir jetzt über etwas ein Licht aufging . . . ich weiß nicht,
ob er gezögert hätte, mich einfach über Bord werfen zu las-
sen.
— 138 —
Die Klugheit gebietet mir, jetzt vorsichtiger denn je zu
sein.
Ohne daß ich Anlaß zu einem Verdacht – nicht einmal
dem fein beobachtenden und scharfsinnigen Ingenieur
Serkö gegenüber – gegeben hätte, ist jetzt doch eine Ecke
des geheimnisvollen Schleiers für mich zurückgeschlagen
und allmählich dämmert in meinen Augen die nächste Zu-
kunft.
Mit der Annäherung der ›Ebba‹ haben sich die Formen
dieser Insel, oder richtiger dieses Eilands, auf das sie zusteu-
ert, am hellen Himmelsgrund immer klarer abgezeichnet.
Die Sonne, die ihren höchsten Stand schon überschritten
hat, badet seine Westseite in glänzendem Licht. Das Eiland
liegt ganz isoliert, wenigstens entdecke ich, weder im Nor-
den noch im Süden, eine Gruppe, zu der es gehörte. Mit
der abnehmenden Entfernung erweitert sich der Gesichts-
winkel, worunter es erscheint, während der Horizont hinter
ihm
Weitere Kostenlose Bücher