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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sie, ohne Veränderung der Richtung, et-
    was verlangsamt.
    Ich glaube, daß die ›Ebba‹ seit gestern um 200 Seemeilen
    weiter nach Osten gelangt ist.
    Meine Kabine hab’ ich unter dem Eindruck eines unkla-
    ren Vorgefühls betreten. Mein Abendessen steht auf dem
    Tisch, doch beunruhigt – ich weiß nicht wodurch – rühr’
    ich es kaum an, sondern strecke mich nieder zum Schlaf,
    der sich heute gar nicht einstellen will.
    Dieser unbehagliche Zustand dauert 2 Stunden an. Die
    Ruhe wird durch nichts gestört als durch das leise Erzit-
    tern der Goélette, das Murmeln des Wassers, das an ihren
    Seitenwänden hinstreicht, und gelegentlich durch leichte
    Stöße, wenn sie auf dem friedlichen Meer vorn auf und ab
    schwankt.
    — 129 —
    Mein Gehirn aber, das von der Erinnerung an alles, was
    sich in den letzten beiden Tagen ereignet hat, erfüllt ist,
    kann sich nicht beruhigen. Morgen im Lauf des Nachmit-
    tags sollen wir unser Ziel erreicht haben . . . morgen soll ich
    meine Pflegerstellung bei Thomas Roch auf festem Land
    wieder einnehmen, »wenn es nötig ist«, hat Graf d’Artigas
    gesagt.
    Wenn ich, als man mich unten im Laderaum eingesperrt
    hatte, das erste Mal bemerkte, daß die Goélette sich über
    den Pamplico-Sund hin in Bewegung setzte, so fühl’ ich in
    diesem Augenblick – es mag ungefähr 10 Uhr abends sein –
    daß sie eben angehalten hat.
    Wozu dieser Aufenthalt? . . . Als mir Kapitän Spade be-
    fahl, das Verdeck zu verlassen, hatten wir kein Land in Sicht.
    In dieser Richtung verzeichnen die Karten nur die Bermu-
    das-Inseln, und als es finster wurde, hätten wir mindestens
    50 bis 60 Seemeilen weiter sein müssen, wenn die Wachen
    sie hätten signalisieren sollen können.
    Übrigens ist nicht nur die Fahrt der ›Ebba‹ unterbrochen,
    sie liegt vielmehr fast vollständig still. Kaum macht sich ein
    leises und sehr gleichmäßiges Wiegen von einem Bord zum
    andern bemerkbar. Die Dünung muß sehr schwach sein,
    und kein Windhauch streicht über das weite Meer.
    Meine Gedanken schweifen nun nach dem Handels-
    schiff hinüber, daß anderthalb Meilen von uns lag, als ich in
    meine Kabine zurückkehrte. Wenn die Goélette weiter dar-
    auf zugesteuert ist, muß sie es nun erreicht haben, und jetzt,
    wo sie auf einer Stelle hält, können die beiden Fahrzeuge
    — 130 —
    nicht mehr als 1 oder 2 Kabellängen voneinander entfernt
    liegen. Der Dreimaster, den schon mit Sonnenuntergang die
    Windstille überraschte, kann nicht nach Westen abgetrie-
    ben sein. Nein, er ist noch an derselben Stelle, und wenn
    die Nacht klar wäre, würde ich ihn durch die Lichtluke se-
    hen können.
    Dabei fällt mir ein, daß sich hier vielleicht eine Gele-
    genheit böte, die ich auszunützen vermöchte. Warum sollte
    ich nicht versuchen zu fliehen, da mir jede Hoffnung auf
    Wiedererlangung meiner Freiheit abgeschnitten scheint?
    Schwimmen kann ich freilich nicht; doch wenn ich mich
    mit einer der Rettungsbojen der Goélette ins Meer stürze,
    sollte es mir unmöglich sein, den Dreimaster zu erreichen,
    wenn es nur gelingt, die Wachsamkeit der Matrosen auf
    dem Vorderdeck zu täuschen?
    Zuerst würde es also darum gehen, meine Kabine zu ver-
    lassen, die Treppenleiter hinaufzuklimmen. Ich höre kein
    Geräusch im Schlafraum der Mannschaft von der ›Ebba‹ . . .
    sicher schlafen die Leute jetzt . . . also, frisch gewagt!
    Im Begriff, die Tür zu öffnen, finde ich aber, daß sie von
    außen verriegelt ist, und das war ja wohl zu erwarten.
    Ich muß also meinen Plan aufgeben, der übrigens eben-
    soviel Aussichten für sich wie gegen sich hatte.
    Das beste wär’s, zu schlafen, denn wenn auch nicht kör-
    perlich, bin ich doch geistig sehr abgespannt. Fortwährend
    von Anfechtungen, von einander widersprechenden Ge-
    danken heimgesucht wär’ es schön, im Schlaf alles verges-
    sen zu können . . .
    — 131 —
    Ich muß wohl eingeschlummert sein, denn ich erwache
    eben durch ein Geräusch . . . ein ungewöhnliches Geräusch,
    das ich an Bord der Goélette bisher noch nicht vernommen
    habe.
    Schon begann der Tag die Glasscheibe meiner nach Os-
    ten zu liegenden Lichtluke etwas zu erhellen. Ich sehe nach
    der Uhr; sie zeigt auf halb 5.
    Meine erste Sorge ist, mich zu fragen, ob die ›Ebba‹ ihre
    Fahrt wieder aufgenommen hat.
    Nein jedenfalls nicht . . . weder mit ihren Segeln noch mit
    ihrem Motor. Dennoch machen sich gewisse Stöße bemerk-
    bar, worüber ich mich nicht täuschen kann. Obendrein
    scheint das

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