Vor der Flagge des Vaterlands
Apparate angeht, so könnte man einzelne
davon mal in der und mal in jener Werkstatt auf dem Fest-
lande bestellen und diese immer getrennt anfertigen las-
sen, um keinen Verdacht zu erregen. Mir sträuben sich die
Haare schon bei dem Gedanken, was aus einem solchen
Zerstörungsmittel in den Händen dieser Seeräuber werden
könnte!
Diese unerträglichen Befürchtungen nagen an mir und
lassen mir keine ruhige Stunde mehr. Meine Gesundheit
leidet darunter, und obgleich das Innere von Back-Cup eine
reine Luft erfüllt, bin ich doch manchmal nah am Ersticken.
Mir ist, als ob diese dicken Wände mich mit ihrer ganzen
Last zermalmen wollten. Dazu fühle ich mich auch abge-
schieden von der übrigen Welt, als wenn ich gar nicht auf
dieser Erde wandelte, und ich weiß von nichts, was in den
Ländern jenseits des Meeres vorgeht. Oh, wenn es möglich
wäre, durch die Öffnung in der Decke, die über der Lagune
liegt, zu fliehen, sich über den Gipfel des Eilands weg zu ret-
ten . . . an dessen Fuß hinabzugelangen! . . .
Am Morgen des 25. Juli begegne ich endlich Thomas
Roch. Er befindet sich allein auf dem entgegengesetzten
Ufer, und ich frage mich, ob Ker Karraje, Ingenieur Serkö
und Kapitän Spade, da ich sie seit gestern nicht gesehen
habe, nicht vielleicht zu einer ›Expedition‹ außerhalb Back-
Cups abgefahren sind . . .
Ich gehe auf Thomas Roch zu, und bevor er mich be-
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merkt, betrachte ich ihn aufmerksam. Sein ernster, nach-
denklicher Gesichtsausdruck ist nicht mehr der eines Geis-
teskranken. Er geht mit langsamen Schritten und gesenkten
Augen dahin, ohne sich weiter umzusehen. Unter dem Arm
trägt er ein mit Papier bespanntes Reißbrett, auf dem ver-
schiedene Skizzen gezeichnet sind.
Plötzlich hebt er den Kopf nach mir zu, tut einen Schritt
vorwärts und erkennt mich.
»Ah . . . du . . . Gaydon!« ruft er. »Dir bin ich also ent-
wischt! . . . Ich bin frei!«
Er mag sich wirklich wie frei fühlen . . . auf Back-Cup
freier, als er es in Healthful House ist. Meine Gegenwart
weckt in ihm unangenehme Erinnerungen und veranlaßt
vielleicht einen erneuten Anfall, denn er fährt mit außerge-
wöhnlicher Erregung weiter fort:
»Ja . . . du . . . Gaydon! . . . Komm mir nicht zu nah . . . bleib
dort! Du würdest mich doch nur wieder einfangen . . . in
das Irrenhaus zurückbringen wollen . . . Niemals! . . . Hier
hab’ ich Freunde, die mich verteidigen! . . . Sie sind mächtig,
sind reich! Graf d’Artigas ist mein Geldgeber! . . . Ingeni-
eur Serkö ist mein Teilhaber! . . . Wir werden meine Erfin-
dung ausbeuten! . . . Hier wird der Fulgurator Roch herge-
stellt werden! . . . Geh fort! . . . Geh fort!«
Thomas Roch hat sich wirklich in Wut geredet. Während
seine Stimme anschwillt, fuchtelt er erst mit den Armen um-
her und zieht dann ein Paket Papierdollars und Banknoten
aus der Tasche. Weiter fallen ihm englische, französische,
amerikanische und deutsche Goldstücke aus der Hand. Und
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woher hat er all das Geld, wenn nicht von Ker Karraje und
um den Preis des an ihn verkauften Geheimnisses?
Durch den Lärm dieses peinlichen Auftritts angelockt,
laufen jetzt einige Männer herbei, die uns aus kurzer Ent-
fernung beobachtet haben. Sie stürzen sich auf Thomas
Roch, umfassen ihn und tragen ihn weg. Sobald er mich
nicht mehr sieht, läßt er sie widerstandslos gewähren und
erscheint, körperlich und geistig, so ruhig wie vorher.
27. Juli. – 2 Tage nach dem erzählten Zwischenfall ging
ich beim ersten Tagesgrauen zum Ufer hinunter und hinaus
bis zur Spitze des kleinen Hafendamms.
Der Tug liegt nicht an seinem gewöhnlichen Ankerplatz
neben dem Felsgestade und ist auch auf der Lagune nir-
gends zu sehen. Ker Karraje und Ingenieur Serkö waren üb-
rigens nicht, wie ich glaubte, weggefahren, denn ich habe sie
noch gestern abend gesehen.
Heute jedoch hab’ ich alle Ursache anzunehmen, daß sie
sich mit Kapitän Spade und seiner Mannschaft auf dem Tug
eingeschifft, sich zur Goélette in ihrer Bucht des Eilands be-
geben haben und daß die ›Ebba‹ zu dieser Stunde unter-
wegs ist.
Möglicherweise handelt es sich um einen Raubzug, doch
liegt es ebenso nah, anzunehmen, daß Ker Karraje – auf sei-
ner Vergnügungsyacht jetzt wieder Graf d’Artigas –, einen
Punkt an der Küste anlaufen will, um sich die nötigen Roh-
stoffe zur Herstellung des Fulgurator Roch zu verschaffen.
Oh, wenn es mir möglich gewesen
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