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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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    Wiederholt und fast in regelmäßigen Abständen don-
    nern draußen heftige Detonationen. Da kommt mir der
    Gedanke, daß nach einer etwaigen Zerstörung der Goélette
    ›Ebba‹ jede Verbindung mit dem Festland abgeschnitten
    und damit die weitere Verproviantierung des Eilands un-
    möglich geworden wäre . . .
    Freilich genügte ja der Tug, um Graf d’Artigas an ir-
    gendeinen Punkt der amerikanischen Küste zu befördern,
    und an Geld fehlte es ihm nicht, sich eine neue Yacht zu ver-
    schaffen . . . Immerhin! Gott sei gelobt, wenn er nur zuläßt,
    daß Back-Cup zerstört wird, ehe Ker Karraje den Fulgura-
    tor Roch zur Verfügung hat.
    Sehr früh am andern Morgen eile ich aus meiner
    Zelle . . .
    In der Umgebung von Bee-Hive hat sich nichts verän-
    dert. Die Leute widmen sich ihren gewohnten Arbeiten. Der
    Tug liegt an seinem Ankerplatz. Ich sehe Thomas Roch, der
    sich ins Labor begibt. Ker Karraje und Ingenieur Serkö ge-
    hen ruhig am Ufer der Lagune spazieren. Das Eiland ist in
    der Nacht keinem Angriff ausgesetzt gewesen. Und doch
    hat mich der Lärm sehr naher Detonationen aus dem Schlaf
    geweckt . . .
    Eben geht Ker Karraje nach seiner Wohnung zurück,
    und Ingenieur Serkö wendet sich, wie gewöhnlich lächelnd
    und mit spöttischem Gesichtsausdruck, mir zu.
    »Nun, Mr. Simon Hart«, beginnt er, »haben Sie sich end-
    lich mit dem Leben in dieser stillen Umgebung ausgesöhnt?
    . . . Schätzen Sie jetzt die Vorzüge unserer bezaubernden
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    Grotte nach Verdienst? . . . Haben Sie auf die Hoffnung ver-
    zichtet, heute oder morgen Ihre Freiheit wiederzuerlangen,
    dieser entzückenden Zufluchtsstätte zu entfliehen?«
    Was hätt’ es mir genützt, diesem Spötter gegenüber auf-
    zubrausen? So antwortete ich ihm denn mit voller Ruhe:
    »Nein, Herr Ingenieur, darauf hab’ ich nicht verzichtet,
    sondern erwarte noch immer, daß man mir meine Freiheit
    wiedergibt . . .«
    »Wie, Mr. Hart? Wir sollten uns von einem Mann tren-
    nen, den wir alle hochschätzen . . . und ich mich von einem
    Kollegen, der vielleicht in der Zeit, wo Thomas Roch geis-
    tig noch mehr umnachtet war als jetzt, einen Teil seiner Ge-
    heimnisse kennengelernt hat? . . . Das kann nicht Ihr Ernst
    sein?«
    Aha, also das ist es, weshalb ihnen daran liegt, mich hier
    im Kerker von Back-Cup zurückzuhalten!
    Sie nehmen an, daß mir die Erfindung Thomas Rochs
    zum Teil bekannt geworden ist . . . sie hoffen darauf, mich
    zum Reden zu zwingen, wenn Thomas Roch sich weigert . . .
    Deshalb bin ich mit ihm entführt worden . . . Deshalb haben
    sie mich noch nicht mit einem Stein am Hals in die Lagune
    geworfen. Es ist immer gut, das zu wissen.
    Auf die letzten Worte von Ingenieur Serkö antworte ich
    dann:
    »Gewiß, es ist mein voller Ernst!«
    »Nun«, erwidert darauf mein Gegenüber, »wenn ich die
    Ehre hätte, der Ingenieur Simon Hart zu sein, würde ich mir
    etwa folgendes sagen: In Hinblick einerseits auf die Persön-
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    lichkeit Ker Karrajes, auf die Gründe, die ihn veranlaßt ha-
    ben, einen so geheimen Zufluchtsort wie diese Höhle aufzu-
    suchen, ferner auf die Notwendigkeit, daß eben diese Höhle
    jedem Versuch einer Entdeckung entzogen bleibt, und das
    nicht nur im Interesse von Graf d’Artigas, sondern auch in
    dem seiner Genossen . . .«
    »Seiner Komplizen, bitte . . .«, werf’ ich ein.
    »Meinetwegen, seiner Komplizen! . . . Und andererseits
    im Hinblick darauf, daß Sie den wahren Namen von Graf
    d’Artigas kennen und wissen, in welchem Panzerschrank
    seine Schätze verwahrt liegen . . .«
    »Geraubte und mit Blut befleckte Schätze, Mr. Serkö!«
    »Ja doch, das mag ja sein! . . . müssen Sie doch begrei-
    fen, daß die Frage nach Ihrer Freiheit niemals nach Ihrem
    Wunsch gelöst werden kann.«
    Das macht jede weitere Auseinandersetzung überflüssig.
    Ich lenke das Gespräch in eine anderen Richtung.
    »Darf ich hören«, so frage ich, »wie Sie erfahren haben,
    daß der Pfleger Gaydon der Ingenieur Simon Hart ist?«
    »Oh, das kann ich Ihnen wohl mitteilen, lieber Herr
    Kollege . . . das verdanken wir eigentlich nur einem Zufall.
    Wir unterhielten gewisse Verbindungen mit der Fabrik, in
    der Sie tätig waren und erfuhren, daß Sie sie unter auffäl-
    ligen Umständen verlassen hatten. Bei einem Besuch von
    Healthful House, schon mehrere Monate vor dem des Gra-
    fen d’Artigas, sah ich Sie dann dort . . . erkannte Sie . . .«
    »Sie?«
    »Ich selbst, und von der Minute an gelobte ich mir,

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