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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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hatte, bitter zu sein, was ihr Denken vollkommen vernebelt hatte. Doch damit war’s jetzt endgültig vorbei.
    Chastain reagierte mit einem kurzen Zucken seiner breiten Schultern, eine Geste, die ihr seltsam gälisch vorkam. Karen dachte, daß ihr jetzt, wo sie in New Orleans war, vielleicht alles ein wenig französisch angehaucht vorkam. Und vielleicht war sie ja noch gestreßter, als sie vermutet hatte, wenn sie sich schon von so kleinen, unwichtigen Details ablenken ließ. Sie hatte gelernt, sich voll und ganz auf die vor ihr stehenden Aufgaben zu konzentrieren und nicht auf so lächerliche Dinge wie das Schulterzucken eines Cops in New Orleans zu achten.
    »Falls Ihnen eine Überführung zu teuer ist, kann ich Ihnen helfen, hier einen Grabplatz für ihn zu suchen«, erbot er sich, obwohl sie sehen konnte, daß er hoffte, sie würde ablehnen. »Zwar nicht in der Stadt, das wäre unmöglich, aber ein wenig außerhalb, auf dem Land. Außer natürlich, Sie möchten ihn einäschern lassen. Das wäre natürlich billiger.«
    Billiger. Er dachte, sie würde ihren Vater einäschern lassen, weil es billiger wäre. Sie hatte nichts gegen eine Einäscherung, falls jemand das wünschte, aber irgendwie mußte sie wieder an Jeanette denken. Dexter sollte neben ihr begraben werden. Sie mußte jetzt gleich eine vorläufige Entscheidung treffen, aber wenn sie wieder zurück in Ohio war, würde sie sofort Vorbereitungen für eine gemeinsame Bestattung ihrer Eltern treffen. Sie mußte einen Doppelgrabplatz suchen, sich mit den Formalitäten für eine Umbettung beider Leichen befassen - o Gott, sie konnte an ihre Mutter einfach nicht als eine Leiche denken.
    Sie konnte überhaupt nicht denken; ihr Gehirn wurde von Minute zu Minute träger. Und was immer Detective Chastain auch privat von ihr halten mochte, er hatte zumindest seine Unterstützung angeboten. Es gefiel ihr nicht, seine Hilfe annehmen zu müssen, da sie wußte, daß er sie nicht ausstehen konnte, doch blieb ihr im Moment wohl nichts anderes übrig. »Vielen Dank«, zwang sie sich mit zugeschnürter Kehle zu sagen. Ihre Stimme klang ungewöhnlich heiser. »Ich bin normalerweise nicht so unorganisiert. Meine Mutter starb erst vor ein paar Monaten, und ich bin noch immer nicht -« Sie unterbrach sich und blickte hastig beiseite. Wieso entschuldigte sie sich für ihr Verhalten?
    Er erhob sich und nahm sein Jackett von der Lehne seines Stuhls. »Ich fahre Sie jetzt zur Leichenhalle, falls Sie sich dazu in der Lage fühlen.«
    Das tat sie nicht, erhob sich aber dennoch. Sie starrte ihn an und fragte sich, wie er es aushielt, bei dieser Hitze im Jackett rumzulaufen. Ihr war schwindlig, sie schwitzte und fror gleichzeitig, der Schweiß rann ihr in Tropfen den Rücken herunter und verursachte ihr eine Gänsehaut. Der sich träge drehende Deckenventilator rührte lediglich in der schweren, warmen Luft herum. Sie verstand das einfach nicht; sie hatte sich ihr leichtestes Sommerkostüm angezogen, aber es fühlte sich an, als wäre es aus dicker Wolle und nicht aus kühlem, dünnem Leinen.
    Dann spürte sie plötzlich Detective Chastains Hand um ihren Arm, eine warme, harte Hand. Sie fühlte die Schwielen auf seinen Fingern, roch den leicht zitronigen Duft seines Aftershaves, und sie hatte verschwommen den Eindruck eines großen Körpers, der dicht vor ihr stand, zu dicht, fast, als ob sie sich an ihn lehnen würde. Ein Arm schlang sich um ihren Rücken, und die Hand, die ihren Arm hielt, zwang sie, sich wieder auf den Stuhl zu setzen, eine Stärke, die sie als irgendwie tröstlich empfand. »Bleiben Sie sitzen«, befahl er ruhig. »Legen Sie den Kopf zwischen die Knie, und atmen Sie ein paarmal tief durch. Ich hole Ihnen inzwischen was Kaltes zu trinken.«
    Sie atmete ein paarmal tief durch, wie er ihr geraten hatte, aber den Kopf zwischen die Knie zu legen, das brachte sie einfach nicht fertig. Sie wußte, wenn sie das tun würde, dann würde sie einfach immer weiter nach vorn sinken, bis sie flach auf dem Boden lag. Also blieb sie einfach nur regungslos sitzen, die Augen geschlossen, während er das kleine Büro verließ. Aus der offenen Tür drangen Unterhaltungsfetzen herein, Telefongeklingel, das Rascheln von Papier. Sie hörte auch jede Menge Flüche, einige davon scharf und zornig, andere wieder in dem weichen, gemächlichen Dialekt der Südstaatler, der wie eine Melodie klang und sie den Inhalt der Worte beinahe vergessen ließ.
    Cops. Krankenschwestern, die auf der

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