Vor Jahr und Tag
können, was nötig war, aber Hayes saß ihm im Nacken und wollte, daß er ihre Wohnung jetzt sofort durchstöberte.
Er hoffte, sie war bei der Arbeit. Denn wenn sie doch zu Hause war, mußte er sie töten.
13
»Sind Sie Antonio Shannon?«
Shannon blickte von seinem Schreibtisch auf und maß den hochgewachsenen Mann mit dem reizlosen Gesicht, der vor ihm stand. »Yep, ich bin Shannon. Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist McPherson.« Er langte in seine Jackentasche und zog ein ledernes Ausweisetui hervor, das er mit der geübten Handbewegung eines FBI-Beamten aufschnappen ließ. Shannon nahm sich Zeit, den Ausweis sorgfältig zu studieren. Er sah echt aus, aber warum sollte ihn ein FBI-Agent sprechen wollen?
»Zunächst möchte ich betonen«, meldete sich McPherson ruhig zu Wort, »daß ich nicht offiziell hier bin. Es ist etwas rein Persönliches. Ein Freund von mir wurde in Mississippi getötet, und Sie haben Erkundigungen über ihn eingezogen. Rick Medina. Haben Sie vielleicht irgendwelche Hinweise auf den oder die Mörder?«
Shannon rieb sich nachdenklich übers Kinn. Was immer er sich auch von seiner Anfrage nach dem Mordopfer aus Mississippi erwartet hatte, es war ganz gewiß nicht das Auftauchen eines leibhaftigen FBI-Beamten. Das bedeutete, daß er mit seiner Nachfrage irgendwo einen Alarm ausgelöst hatte. Ob McPherson nun offiziell hier war oder nicht, ob das Mordopfer aus Mississippi nun sein Freund gewesen war oder nicht, spielte im Grunde keine Rolle, nur eins war sicher: Wer immer Rick Medina gewesen sein mochte, er besaß ein paar verflucht heiße Connections.
»Wir wissen überhaupt nichts über diesen Mord«, entgegnete er langsam. »Eigentlich haben wir auf Hinweise zu einem unserer eigenen Mordfälle gehofft.« Er erhob sich. »Ich glaube, ich sollte Sie Detective Chastain vorstellen.«
Marc telefonierte gerade mit dem Gerichtsmediziner. Die Autopsie des Kindes sollte in einer Stunde stattfinden. Er bekam eine Riesenwut im Bauch, wenn er nur daran dachte, an den zarten kleinen Körper, die streichholzdünnen Ärmchen und Beinchen. Bei solchen Gelegenheiten wünschte er, sich einmal nicht an das Gesetz halten zu müssen; er hätte nichts schneller getan, als den Vater des Kindes mit seinen bloßen Händen umzubringen, langsam, Knochen für Knochen, Brandwunde für Brandwunde, so wie er seinen kleinen Jungen zu Tode gefoltert hatte.
Er hängte gerade auf, als Shannon mit dem hochgewachsenen, schlaksigen Mann mittleren Alters hereinkam, der sich jedoch in erstaunlich guter körperlicher Verfassung zu befinden schien. »Das ist Mr. McPherson vom FBI«, verkündete Shannon.
Marc schüttelte ihm die Hand, wobei ihm der kraftvolle Händedruck des Älteren auffiel. »Das bezweifle ich«, widersprach er milde.
Shannon sah ihn erstaunt an. McPherson lächelte leise. »Mein Ausweis besagt das aber.«
Marc zuckte mit den Schultern. »Kann ich mir vorstellen. Aber wenn ich nun beim örtlichen FBI-Büro anrufe und mich nach Ihnen erkundige, was würden die mir wohl sagen?« Wenn dieser Mann beim FBI war, dann war er jedenfalls der erste, dem der gelackte und geschniegelte Look fehlte, den die älteren Agenten noch viel intensiver pflegten als die jüngeren. Die Unterschiede waren nicht auffällig, aber für ihn unübersehbar: Der Haarschnitt ein klein bißchen zu lang, eine Krawatte, die eine Spur zu individuell war; seine Schuhe waren von Gucci, was sich ein normaler FBI-Agent nie hätte leisten können. Andererseits trug der Mann ein Schulterhalfter, das unter seinem tadellos geschnittenen Jackett zwar kaum sichtbar war, nichtsdestotrotz aber eine Handfeuerwaffe verbarg.
Das Lächeln auf seinem schlichten Gesicht breitete sich zu einem Grinsen aus. »Ich würde Ihnen ja sagen, daß Sie den Anruf ruhig machen können, aber Sie würden’s wahrscheinlich tun. Was hat mich verraten? Die Schuhe?«
»Unter anderem. Aber die Schuhe am deutlichsten.«
»Na, es war 'nen Versuch wert. Nicht allen Leuten, nicht mal allen Cops, wären die Schuhe aufgefallen.«
Shannon blickte verwirrt auf das fragliche Schuhwerk. »Was stimmt nicht mit ihnen?«
»Sie sind von Gucci«, erklärte Marc.
Das schien Shannon auch nicht weiterzuhelfen. »Sie sind teuer«, fügte Marc hinzu. »FBI-ler können sie sich normalerweise nicht leisten.« Er wandte den Blick wieder seinem Besucher zu. »Also, wer sind Sie, und warum geben Sie sich als FBI-Agent aus?« Er brauchte nicht hinzuzufügen, daß das gegen das Gesetz
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