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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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dort, wo er stand, einfach erschießen.
    Auf einmal wurde sie ganz ruhig - oder zumindest viel ruhiger. Ob er nun bewaffnet war oder nicht, sie hatte eine bessere Chance, ungeschoren davonzukommen, wenn sie versuchte, aus der Wohnung rauszukommen. Sie war barfuß und bewegte sich lautlos auf dem Teppich in Richtung Tür.
    Gerade, als sie auf gleicher Höhe mit der Tür anlangte, hörte sie, wie sich die Schritte der Eßecke näherten. Sie erstarrte, einen Schritt, bevor sie hinausgetreten wäre. Wieder stockte ihr der Atem, als ob ein schweres Gewicht ihre Brust erdrücken würde. Wenn er jetzt ins Wohnzimmer kam!
    Aber sie hörte, wie Stühle verrückt wurden, und wußte dann, daß er noch in der Küche war. Sie runzelte die Brauen. Es klang, als würde er sämtliche Stühle umdrehen.
    So verhielt sich doch kein normaler Einbrecher, oder? Der suchte nach Wertsachen, schnappte sich den Fernseher und ihr kleines Stereogerät und würde schnell wieder verschwinden. Aber er war nicht mal ins Schlafzimmer gekommen, wo doch die meisten Frauen ihren Schmuck und ihre Wertsachen aufbewahrten.
    Sie schob sich den einen Schritt weiter vor, stand nun im Türrahmen und beugte sich vorsichtig so weit vor, daß sie einen kleinen Teil von der Eßecke sehen konnte. Sie sah vier Stuhlbeine hervorragen. Er drehte die Stühle tatsächlich alle um.
    Er suchte nach etwas - nach etwas Bestimmtem.
    Raus aus der Wohnung und die Polizei holen, das wurde einem immer geraten. Sie warf einen Blick auf das Telefon auf dem Nachttischchen. Es war viel zu ruhig in der Wohnung; die einzigen Geräusche waren das Surren des Kühlschranks und das Kratzen der Stühle, das von ihm kam. Wenn sie jetzt den Notruf anrief, mußte sie flüstern, und selbst das könnte er möglicherweise hören. Und wenn sie gar nichts sagte, würden sie dann trotzdem jemanden herschicken? Konnte man mit der Notrufnummer auch die Adresse des Anrufers zurückverfolgen?
    Würden sie nur mit Sirenengeheul angebraust kommen, dachte sie.
    Verdammter Mistkerl, er durchsuchte wirklich ihr Apartment. Plötzlich fiel das Entsetzen von ihr ab, und sie wurde von einer ganz anderen Gefühlswelle erfaßt. Wut, Zorn darüber, daß er ihre Sachen durchwühlte, gerade als sie anfing, sich ein wenig heimisch in ihrer Wohnung zu fühlen. Das war jetzt das einzige Heim, das sie noch besaß; das Haus, das sie immer für ihr Zuhause gehalten hatte und es noch tat, war nur noch eine verkohlte Ruine. Nein, sie würde ihr Heim nicht so einfach diesem Bastard überlassen.
    Karen trat einen Schritt von der Tür zurück. Ganz behutsam und immer langsam, so wie es ihr ihr Vater im Wald beigebracht hatte, tastete sie sich in Richtung Telefon vor. Ohne der Tür den Rücken zu kehren, nahm sie den Hörer von der Gabel und stopfte ihn sofort unters Kissen, damit der Freiton nicht zu hören war. Dann tippte sie die Notrufnummer ein, und das leise Klicken der Tasten ließ sie zusammenzucken.
    Eine Waffe. Sie brauchte eine Waffe. Aber sie besaß keine Pistole, und die Messer befanden sich alle in der Küche.
    Wenn er mit dem Rest der Wohnung fertig war und ins Schlafzimmer kam, würde er sofort den Hörer unter dem Kissen bemerken und wissen, daß sich noch jemand in der Wohnung versteckte. Der Überraschungseffekt, ihr einziger Vorteil, wäre dann verloren, also sah sie besser zu, daß sie etwas fand, womit sie sich verteidigen konnte.
    Es gab nichts im Schlafzimmer, das ihr nützlich hätte sein können, außer, sie hatte vor, ihm eins mit ihrer Handtasche überzuziehen, die neben dem Stuhl in einer Ecke stand und ebenfalls ihre Anwesenheit verraten würde, falls sein Blick darauf fiel.
    Rasch ging sie im Geiste alles durch, was sich im Badezimmer befand. Die Wegwerfrasierer, die sie benutzte, würden ihn bestimmt nicht schreiend in die Flucht schlagen, außer er litt unter einer Rasierphobie. Das Schlimmste, was man mit den Dingern anstellen konnte, waren oberflächliche Schnitte. Sie hatte Parfüm, Haarspray - Haarspray. Das war’s. Dafür mußte sie ihn zwar erst mal an sich herankommen lassen, aber eine Pistole war die einzige Waffe, mit der man sich aus der Distanz verteidigen konnte. Auch mit einem Messer hätte sie das nicht gekonnt.
    Die Badezimmertür stand nur halb offen. Karen glitt vorsichtig darauf zu, wobei sie darauf achtete, nirgends anzustoßen. Ihr Herz hämmerte so stark, daß sie ihren Puls in den Fingerspitzen pochen fühlte, dennoch war sie ruhiger als vorher und entschlossener.
    Die

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