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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Türangeln quietschten bei der leisesten Bewegung, fiel ihr in diesem Moment ein. Sie durfte die Tür auf keinen Fall berühren.
    Der Teppich schien an ihren Füßen zu kleben. Die Entfernung betrug nur ein paar Schritte, aber es kam ihr vor wie ein Kilometer. Sie war von der offenen Schlafzimmertür aus nun deutlich zu sehen, falls der Mann weit genug ins Wohnzimmer hineinkäme. Wie lange würde er noch in der Küche beschäftigt sein? Was gab es in einer Küche alles, das man durchsuchen konnte? Die Schränkchen und Schubladen hatte er bereits durchgesehen, auch den Kühlschrank unter den Stühlen und unter dem Tisch. Das einzige, was ihn jetzt noch beschäftigen konnte, bevor er ins Wohnzimmer kam, war ein Schränkchen, das rechts von der Tür stand, bevor man in die Küche trat. Wenn er methodisch vorging, war das das nächste, wo er nachsehen würde.
    Lieber Gott, bitte laß ihn methodisch vorgehen, betete sie.
    Die Badezimmertür war weiter zu, als sie gedacht halte. Sie taxierte die schmale Öffnung. Sie sah zu schmal aus, gerade weit genug, um ein Kind durchzulassen, aber sie war kein Kind. Trotzdem, sie hatte abgenommen. Vielleicht schaffte sie es ja - aber nur vielleicht. Nun, eine Chance war besser als gar nichts.
    Von der Küche hörte sie nun, wie die Stühle wieder aufgestellt und zurückgeschoben wurden. Er war ein ordentlicher Einbrecher; offenbar wollte er nicht, daß sie merkte, daß er in ihrer Wohnung gewesen war. Seine Ordentlichkeit gab ihr ein paar Sekunden mehr Zeit.
    Sie holte rasch mehrmals tief Luft und stellte sich vor, was sie jetzt tun würde. Die Haarspraydose stand links auf dem Spiegelbord. Das Handtuch hing auf der rechten Seite über einer Stange. Sie würde das Handtuch mit der rechten Hand nehmen, das Haarspray mit der linken Hand und den Deckel mit dem Handtuch öffnen, damit man das Geräusch nicht hörte. Sie wünschte, sie wäre weniger ordentlich und hätte die Kappe weggeworfen, als sie das Haarspray anbrach. Aber sie warf nie irgendwelche Deckel weg, nicht, bevor alles leer war.
    Sie atmete aus, um eine möglichst flache Brust zu bekommen und zog den Bauch ein. Den Rücken fest an den Türrahmen gepreßt, zwängte sie sich seitlich durch.
    Ihre Brust streifte die Tür, und die Türangeln gaben ein kurzes, leises Quietschen von sich.
    Sie hielt nicht an. Jetzt stehenzubleiben wäre verheerend, falls er das verräterische Quietschen gehört hatte. Sie schlüpfte in das kleine, dunkle Badezimmer, schnappte sich das Handtuch mit der rechten Hand und das Haarspray mit der linken. Sie stieß nirgends an, tat alles mit leisen, geschickten Bewegungen. Nachdem sie das Handtuch um den Deckel gewickelt hatte, drehte sie ihn herunter. Auch dabei gab es ein leises Geräusch, das aber weniger weit drang als das Quietschen der Türangeln.
    Sie drehte sich um und stellte sich mit dem Gesicht zur Tür, aber so, daß sie weder durch die offene Schlafzimmertür noch durch den Spalt in der Badezimmertür zu sehen war. Rasch warf sie einen Blick nach hinten, um sicher zu sein, daß der Spiegel nicht zu sehen war, aber alles, was man vom Türspalt aus sehen konnte, war die Badewanne und die Armaturen.
    Mit der Haarspraydose in der linken Hand, die Sprühdüse nach außen gerichtet, stand sie da und wartete. Es gefiel ihr gar nicht, in diesem kleinen Raum gefangen zu sein, aber nach dem Quietschen der Tür wagte sie es nicht, sich wieder hinauszuzwängen. Sie wußte bereits, daß er sich lautlos bewegen konnte, denn sie hatte ihn nicht in ihre Wohnung kommen gehört. Er konnte direkt auf der anderen Seite der Tür stehen und stillschweigend darauf warten, daß sie herauskam, wie eine Katze vor dem Mauseloch.
    Ihre Kopfhaut begann wieder zu prickeln. Sie konnte ihn fast spüren, wie er dort draußen stand, eine geduldige, böse Präsenz.
    Aber sie konnte auch geduldig sein. Wer sich als erster regt, der verliert, hatte ihr Vater gesagt. Wieso konnte sie sich plötzlich daran erinnern? Sie war erst ein Kind gewesen und er ein Fremder, der ihr angst machte, obwohl sie wußte, daß er ihr Vater war. Aber er hatte mit ihr geredet, hatte ihr erklärt, was ein guter Scharfschütze zu tun hat, und sie hatte ihm zugehört. Sie hatte zwar keine Pistole in der Hand, bloß eine Dose Haarspray, aber diese Kenntnisse waren die Hinterlassenschaft ihres Vaters und konnten ihr jetzt möglicherweise sogar das Leben retten.
    Es drangen keine Geräusche mehr aus dem Wohnzimmer. Wenn er das Quietschen nicht gehört

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