Vor Katzen wird gewarnt
Das sehe ich.«
»Anderson hat Sie entweder verlassen
oder Sie haben ihn rausgeschmissen«, sagte ich mühsam beherrscht. »Jordan hat
Sie verlassen, weil Sie mit seiner Cousine Zoe Parnell irgend etwas
Unaussprechliches angestellt haben. Dann wurde er ermordet. Ich dachte schon,
Sie stäken ohnehin ausreichend in der Tinte; aber da mußte ich nun auch noch
die Geschichte von der winzig kleinen, fünfundneunzig Pfund schweren alten
Jungfer hören!«
»Alte Jungfer?« Sein gewohntes
stierartiges Organ rutschte eine Oktave höher. »Was für eine alte Jungfer?«
»Die Frau, deren Unterkiefer
Sie an zwei Stellen gebrochen haben«, knurrte ich. »Deren Nase Sie
eingeschlagen haben. Der Sie die Zähne in den Rachen geboxt haben. Wollen Sie
behaupten, daß Sie die Lady bereits vergessen haben?«
Er blinzelte bedächtig und schüttelte
dann den Kopf. »Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sind Sie
übergeschnappt oder Sie brauchen was zu trinken.«
»Ich rede von Gwen Anderson«,
schrie ich ihn an, »Lester Andersons Schwester. Die, welche Sie ins Krankenhaus
geschickt und dann bezahlt haben, damit sie hinterher ihren renovierten Mund
hält.«
»Ich bin völlig durcheinander.«
Er schluckte den Rest seines Martinis und starrte mich dann in nackter
Verzweiflung an. »Ich bin ein kleines Kind, das im Dunkeln weint, weil alle um
es herum eine fremde Sprache sprechen. Lester hatte niemals eine Schwester,
oder zumindest habe ich nie was von ihr gehört.«
»Wollen Sie behaupten, daß
Herbert Walker lügt?«
»Ah!« Die schiefergrauen Augen
unter den schweren Lidern glitzerten. »Jetzt fange ich an zu begreifen. Der
liebe fette Herbert. So recht haben wir uns nie angefreundet. Aber es ging
immerhin einigermaßen, bis er versuchte, mir irgendeinen gräßlichen alten
Jauchewagen von einer Reporterin zu schicken und...«
»Die Geschichte kenne ich
auch.« Ich schluckte mühsant . »Kommen wir auf Gwen
Anderson zurück, die Schwester, von der Sie nie was gehört häben ,
geschweige denn, die sie zusammengeschlagen haben. Denken Sie sich was Besseres
aus, Sie Widerling.«
»Ich bin vollkommen ehrlich,
Rick«, sagte er nüchtern. »Wenn Lester eine Schwester hatte, dann habe ich
jedenfalls nie von ihr gehört, geschweige denn sie zusammengeschlagen.«
Ich blickte lange Zeit in sein
Mongolengesicht, während er mich seinerseits gleichmütig anstarrte. Dann fiel
mir ein, daß er Schauspieler war. Trotzdem begannen Zweifel in mir zu nagen.
Plötzlich hatte ich eine Idee.
»Können Sie gut Stimmen
imitieren?« fragte ich.
»Ausgezeichnet!« sagte er
schnell. »Ich kann alles ausgezeichnet. Ich dachte, das wüßten Sie inzwischen.«
»Imitieren Sie mal Herbert
Walkers Stimme.«
Ein starres geschäftsmäßiges
Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Nun schenken Sie mir mal reinen Wein ein,
Rick, Baby«, sagte er. »Ich möchte wissen, was hinter dem ganzen Quatsch
steckt. Sie — äh — verstehen mich doch?«
Wenn ich die Augen geschlossen
hätte, so hätte ich schwören mögen, daß es Walker gewesen sei, der da
gesprochen hatte. »Okay, es ist ausgezeichnet«, sagte ich. »Jetzt rufen
Sie sein Büro in Chicago an, während ich am Nebenanschluß mithöre.«
»Himmel, wie wahnsinnig
komisch.« Er rollte ausdrucksvoll die Augen. »Und was sage ich dann?«
»Sie müßten dringend mit Gwen
Anderson sprechen«, erklärte ich. »Und wenn sie antwortet, ist das zugleich ein
Lebewohl von meiner Seite, Leonard, Baby.«
»Na schön, ich rufe an.« Ich
lauschte geduldig am Nebenanschluß , während das
Mädchen in der Telefonvermittlung die Nummer für ihn heraussuchte und danach
die Verbindung herstellte. Eine gelangweilte weibliche Stimme sagte: »Hier
Herbert Walker und Companie. Guten Tag.«
»Hier Herbert Walker«, sagte
Leonard mit Walkers Stimme.
»Oh!« Ihre Stimme war plötzlich
von künstlichem Enthusiasmus erfüllt. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Walker?«
»Verbinden Sie mich mit Gwen
Anderson.«
»Mit wem?«
»Mit Gwen Anderson, verdammt
noch mal!« brüllte Leonard. »Das ist ein Ferngespräch und kostet mich Geld!«
»Entschuldigung, Mr. Walker.«
Die Stimme des Mädchens klang, als sei sie im Begriff, aus dem Fenster zu
springen. »Aber ich kenne hier keine Gwen Anderson.«
»Hier Mason, Mr. Walker«,
mischte ich mich schnell ein, bevor Leonard antworten konnte. »Unseren
Unterlagen zufolge arbeitet Miss Anderson als Stenotypistin seit vier oder fünf
Wochen im Chicagoer Büro.«
»Haben Sie das
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