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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Charles
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Passagiere des Weißen Elefanten Haus Seeblick.
    Andy hing an der Hand seiner Mutter und wimmerte vor Müdigkeit und Hunger still vor sich hin. Es war eine eher langweilige Sache gewesen, auf einem Fluß dahin zu treiben, während die Flut langsam stieg. Die Eintönigkeit war auch nicht nennenswert durch einen Zusammenstoß mit einem Pfeiler der Swaldene-Brücke unterbrochen worden.
    Adele sagte: »Von irgendwoher müssen wir ein Boot besorgen.« Ihre Stimme klang leicht hysterisch. »Schließlich können wir das arme Kind nicht die ganze Nacht auf einer einsamen Insel sitzenlassen.«
    Bernie war noch unbekümmert: »Ich mache das schon. Mach dir keine Sorgen, Liebling. Sie wird schon nicht untergehen, und es ist auch hell genug. Wenn ich Bill Hooker erreichen kann, bringt der mich mit seinem Boot bestimmt zu der Insel hin. Dann wird Colette noch rechtzeitig zum Abendessen zurück sein.« Er klopfte ihr beruhigend auf den Arm. Wie die meisten temperamentvollen Männer konnte er sich über Kleinigkeiten wahnsinnig aufregen, aber in schwierigen Situationen eine erstaunliche Geduld an den Tag legen.
    Als sie am Gartenweg zu Haus Seeblick ankamen, erhob sich eine Figur in einer dunkelblauen Uniform. In der Haltung dieser Figur verkörperten sich Staatsgewalt und Unheil, und Adele erschauerte.
    Gendarm Granville Brown fragte: »Mr. und Mrs. Charlton?«
    Die beiden nickten.
    »Wohnt bei Ihnen eine junge Frau französischer Nationalität? Mit Namen Colette Bicquet?«
    Erleichtert atmete Adele auf.
    Sie rief: »Ja, natürlich! Sie wohnt bei uns. Wir mußten sie auf einer kleinen Insel in der Flußmündung hinter uns lassen, und mein Mann wollte gerade ein Boot leihen, um sie von dort zu erlösen.« Gendarm Brown kannte zwar die Gesetze genau, aber Logik lag ihm nicht besonders. Eines indes wußte er ganz genau. Als er Mademoiselle Bicquet kennengelernt hatte, befand sie sich weitab von jeder Insel in der Flußmündung.
    Verwirrt fragte er: »Auf einer Insel in der Flußmündung?«
    Adele beeilte sich, zu erklären: »Reines Pech. Sie sprang an Land, dann trieb das Boot ab. Der Motor des Weißen Elefanten streikte.«
    Die Verwirrung steigerte sich zu völligem Unverständnis.
    Verzweifelt setzte sie hinzu: »Vergessen, aufzutanken.«
    »Wen aufzutanken?« fragte Granville Brown. »Unseren Weißen Elefanten «, antwortete Adele. Granville schwankte. Er war ein starker Mann, aber jetzt reagierte er wie ein Schwerkranker.
    Adele änderte die Taktik. Sie wußte einfach nicht, warum ihre kristallklare und einleuchtende Erklärung der Vorgänge diesem Idioten nicht verständlich war, aber offensichtlich begriff er wirklich nicht. Sie fragte: »Was ist mit Colette? Haben Sie sie gefunden?«
    Granville nickte. »O ja«, sagte er, »gefunden schon!«
    »Gott sei Dank«, meinte Adele erleichtert.
    »Und sie ist bereits auf dem Polizeirevier«, fügte er hinzu.
    »Gut so«, sagte Adele erleichtert. Trotz gelegentlicher Zweifel war sie immer schon davon überzeugt gewesen, die englische Polizei sei einmalig. Und ein solches greifbares Wunder bestätigte sie in ihren Ansichten.
    Mit Grabesstimme schloß Brown: »In der Zelle.«
    Gleichzeitig fragten Adele und Bernie: »Wo?«
    Genießerisch wiederholte Gendarm Brown: »In einer Zelle! Sie ist wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagt.«
    Adele wankte.
    Granville ging in Einzelheiten. »Sie stand da, splitternackt. Eine Gefahr für die Verkehrsteilnehmer auf der Straße.«
    Adele schwankte und taumelte. »Verkehr«, meinte sie tonlos.
    »Ein Lieferwagen der Bäckerei Catford & Spindle, Caversham«, sagte der Gendarm. »Der Lieferwagen kam vorbei. Die Angeklagte winkte dem Fahrer zu, der versuchte, den Wagen anzuhalten. Das gelang ihm zwar auch. Aber fünf Meter neben der Straße, im Fluß.« Er hielt inne und betrachtete die Charltons düster. »Man hat bisher noch kein Glück bei dem Versuch gehabt, den Wagen aus dem Wasser zu ziehen. Der Schaden soll beträchtlich sein.«
    Adele ließ sich auf dem Mäuerchen an der Terrasse nieder. Sie fühlte sich nicht gerade blendend. »Merde«, sagte sie.

Die Folgen

    Es ist nicht gerade unangenehm, an einem heißen Sommertag auf einer verlassenen Insel in der Mündung der Themse splitternackt zurückgelassen zu werden. Denn zumindest bleibt dort die Intimsphäre gewahrt, und es ist sehr schön warm. Aber auch Sommertage gehen irgendwann zur Neige. Es wurde kühl, und die Dämmerung brach herein - allmählich wurde es Zeit, sich Gedanken

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