Vor Nackedeis wird gewarnt
die heftig gestikulierend am Strand standen und in ihrer Aufregung sogar hinter den Büschen hervorgekommen waren. Sie hatten sie schließlich aufgefordert, zu verschwinden, und sie war dieser Aufforderung nachgekommen.
Sie winkte ihnen noch einmal zu und nahm Kurs auf die andere Seite der Flußmündung.
Es war ihr völlig unbekannt, daß sämtliche Kleider der beiden behaglich in einem kleinen Schrank in der Kajüte schlummerten. Um ganz ehrlich zu sein, hätte ihr diese Tatsache auch dann wenig ausgemacht, wenn sie darum gewußt hätte.
Richard Widderby stöhnte: »Komm, wir gehen schwimmen. Kostüme spielen jetzt keine Rolle mehr. Hier kommt niemals eine Menschenseele hin.«
»Ach, halt den Mund«, sagte Donald.
Richard schloß die Augen. »Was wird wohl das Wahlkomitee der Konservativen Partei zu dieser Sache sagen?« meinte er tonlos. Langsam sank er zu Boden und ließ sich auf seinem Allerwertesten nieder. Seine politische Zukunft erschien ihm düster und zweifelhaft.
Der Strand raste auf das Boot zu, und Colette bereitete sich darauf vor, längsseits zu landen. Und genau in diesem Augenblick war der Höhepunkt aller Katastrophen dieses Tages erreicht. Die vorhergegangenen Ereignisse waren nur die Einleitung zu dem gewesen, was nun noch kommen sollte.
Dabei fing alles so harmlos an.
Colette legte mit dem Boot an einer kleinen Erhebung an, kletterte an Land, rutschte aber unglücklich aus, strampelte noch kurz mit ihren Beinen in der Luft herum und fiel ins Wasser.
Naß wie eine Katze kroch sie an Land. Während sie einhielt, um die wesentlichen Tatsachen ihres Pechs in allen Einzelheiten zu rekonstruieren, machte sie gewisse Beobachtungen, die unweigerlich zur Katastrophe führen mußten.
Sie war naß. Diese Tatsache war nicht zu bestreiten.
Und die Sonne schien leuchtend und warm.
Ebenfalls eine Tatsache.
Und die dritte Tatsache war die, daß nach ihren eigenen Beobachtungen der Nudismus eindeutig eine Gewohnheit in diesem Lande war, der jedermann nachging. Ganz gleich, welche merkwürdigen Lügen ihre Gastgeberin und die Tochter des Pfarrers ihr erzählt hatten. Die Antwort auf ihren Zustand lag also auf der Hand. Und auf der Stelle traf sie die notwendigen Maßnahmen.
Sie öffnete den Reißverschluß der gelben Bluse und zog die enganliegende Hose aus. Beides hängte sie über einen Zaun. Daneben hingen bald ein schwarzer Büstenhalter und schwarze, winzige Spitzenhöschen. Colette setzte sich mit einem blütenreinen Gewissen ins Gras und entschloß sich, ein Sonnenbad zu nehmen, bis ihre Sachen trocken waren. Sie streckte sich im Gras aus und gähnte.
Auf der Straße entlang dem Strand näherte sich ein Lieferwagen, der Wagen des Bäckers, und Colette richtete sich auf, um dem Fahrer zuzuwinken.
Das laute Quietschen von Bremsen und ein Plätschern folgten.
Colette zuckte mit den Achseln.
Die Taxis in Paris waren ihrer rücksichtslosen Fahrweise wegen berühmt. Aber so weit ihr bekannt war, wußte jeder französische Autofahrer, wie er sein Auto aus der Seine heraushalten konnte.
»Der ist verrückt«, murmelte sie und streckte sich wieder aus.
Gendarm Granville Brown radelte vorsichtig auf der Landstraße. Die Straße wand sich von der kleinen Ortschaft Chesley zum Fluß hinunter, wo sich dann ein schmaler Zugpfad anschloß, der bis an die eigentliche Küste führte.
Irgendwo entlang dieser Straße hielt sich ein Gesetzesbrecher auf. Bis jetzt kannte er noch keinerlei Einzelheiten, die diesen Fall betrafen, aber aus dem Anruf, den er erhalten hatte, ergab sich, daß ein Lieferwagen in den Fluß gefahren war, und daß Körbe mit Brot und Brötchen flußabwärts trieben. In der Welt, in der Granville Brown lebte, gab es nur drei Dinge, die einen Lieferwagen in einen Fluß treiben konnten. Entweder der Fahrer war betrunken, oder äußerst unvorsichtig, oder die Bremsen oder die Steuerung des Fahrzeuges hatten versagt.
»Betrunken am Steuer«, knirschte er und trat in die Pedale.
»Fahren ohne angebrachte Vorsicht und Aufmerksamkeit. Fahrer mit einem Fahrzeug, das nicht den Vorschriften entspricht«, rezitierte er grimmig und leckte bei dieser Vorstellung seine Lippen.
Er folgte einer Kurve.
»Nein!« Er schluckte, und das Auge des Gesetzes landete im Straßengraben.
Voller Mitleid rief Colette: »Le pauvre gendarme!«
Granville Brown griff nach seinem Notizbuch.
Ausgepumpt, mit schleppenden Füßen und schmerzenden Waden, in tiefster Depression näherten sich Besatzung und
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