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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Charles
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zur Lage zu machen.
    Donald Erasmus Havelock-Dobson meinte: »Sinnlos, hier noch länger zu warten. Es ist jetzt schon fast dunkel. Wir müssen um unser Leben schwimmen.«
    Richard Widderby zitterte am ganzen Leib. »Was sollen wir sagen, wenn wir jemandem begegnen? Ich meine, wie sollen wir unsere Lage erklären?«
    Donald knurrte: »Wir werden niemandem begegnen. Wir werden verdammt auf passen, daß wir niemandem begegnen, oder vielmehr, daß wir nicht gesehen werden. Unsere Chance ist, irgendwo ein Kleidungsstück von einer Wäscheleine zu erhaschen.«
    Richard knirschte mit den Zähnen. »Wenn mir diese Ziege noch einmal über den Weg läuft«, stieß er hervor und schnaubte Feuer. Vorsichtig gingen die beiden Männer auf den Strand zu, und Richard setzte einen Fuß ins Wasser.
    »Mann«, sagte er. Er zog schnell wieder seinen Fuß zurück. »Verdammt kalt!«
    Donald war aus härterem Material. Er stürzte sich mutig in das Wasser und begann mit kräftigen Stößen auf das andere Ufer zuzuschwimmen, wo die ersten Lichter aufleuchteten. Nach einigen verzweifelten Ansätzen folgte zitternd Richard.
    Da beide sehr gute Schwimmer waren, erreichten sie die andere Seite des Flusses mühelos. Aber vor jungen Liebespaaren von Busch zu Busch zu flüchten, von Baum zu Baum zu springen, während ein kühler Wind um ihre nassen Körper strich, war eine Erfahrung, die keiner der beiden so schnell würde vergessen können.
    Ein Auto fuhr vorbei, und für einen Augenblick waren sie von einer gnädigen Dunkelheit eingehüllt. Wie zwei Weltrekordler legten sie die kurze Strecke bis zur Gartenmauer auf der anderen Straßenseite zurück.
    Dort schlichen sie herum wie gejagtes Wild, keuchend und mit brennenden Augen.
    Die Lichter eines Autos fielen auf die Mauer, und Donald und Richard sprangen hoch - ohne lange zu überlegen. Sie griffen nach der oberen Mauerkante und waren im Garten, bevor die Lichter sie erfaßten. Eine Leistung, die keiner von beiden unter anderen Umständen vollbracht hätte.
    Donald flüsterte: »Weiß der Teufel, wo wir hier gelandet sind.«
    »Weißt du das denn nicht?«, fragte Richard. »Du wohnst doch hier in der Gegend. Du müßtest das doch wissen.«
    »Bei Tageslicht und unter anderen Umständen wüßte ich das auch«, sagte Donald. »Im Moment aber habe ich nicht die geringste Ahnung. Ein Garten auf jeden Fall. Ziemlich groß. Komm, wir schauen mal nach der Wäscheleine.«
    Sie durchforschten den Garten und stießen auf einen betonierten Weg. Mit nackten Füßen ging sich’s wie auf Reibeisen. Sie fanden keine Wäscheleine.
    Verschämt zeigte sich ein blasser Mond am Himmel und warf ein milchiges Licht auf den Rasen. Dort, endlich, war eine Wäscheleine zu sehen, aber sie war völlig leer.
    »Verdammt«, rief Donald.
    Mr. Widderby jammerte: »Was sollen wir denn nur tun?« Donald warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Stelle dir vor, du wärst aus einem Zuchthaus ausgebrochen. Du würdest ein sehr unbequemes Kostüm mit Zebrastreifen tragen. Was würdest du tun?«
    Richard Widderby klagte: »Ich würde Gott auf den Knien dafür danken.«
    »Du würdest das erste Haus auf deinem Weg aufsuchen und dieses Kostüm gegen etwas weniger Auffälliges eintauschen«, sagte Donald. »Und genau das tun auch wir jetzt. Los, komm!«
    Richard Widderby schnappte nach Luft. »Diebstahl?«
    Sein Freund antwortete mit fester Stimme: »Ja, stehlen. Die Not zwingt uns dazu, uns sitzt der Teufel im Nacken. Dieser Teufel ist der kalte Wind, der über meinen Rücken streicht, und gegen den werde ich mich schützen, egal ob durch Totschlag, Straßenraub oder Giftmord.«
    Das Haus war eine alte, viktorianische Villa, efeubewachsen und mit vielen Erkerfenstern. Sie waren alle dunkel. Donald fand ein tiefliegendes Erkerfenster an der Rückseite des Hauses und versuchte einen der beiden Flügel zu öffnen. Er quietschte laut, gab aber nach. Donald schwang sein Bein über die Brüstung und sprang hoch. Dann verschwand er im Inneren des Hauses. Langsam folgte ihm Richard. In einer Ecke stand ein Bücherregal. Er sprang mit leichtem Krächzen zurück und landete an einem kleinen Tisch mit einer Vase. »Idiot«, zischte Donald, und beide standen in der Dunkelheit, mit angehaltenem Atem und gespitzten Ohren. Die Vase war mit großem Gepolter vom Tisch gerollt und am Boden zerschellt.
    Aber es blieb still. Entweder schliefen alle Bewohner schon tief und fest, und zwar im vorderen Teil des Hauses, oder sie waren alle völlig taub.

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