Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
unfassbares Musikwissen und gab mir sehr interessante Anregungen für den Soundtrack zu meinem Dokumentarfilm über Miss Agnes.“
Cade fiel noch etwas ein, was der Ladenbesitzer gesagt hat. Ersetzte ein Ich-kenne-deine-Geheimnisse-Grinsen auf und sagte: „Übrigens soll ich dich von ihm grüßen. Er meinte, du seist eine treue Kundin, und bestätigte, was du uns gestern gesagt hast – dass du tatsächlich ein echter Kurt-Cobain-Fan bist.“
„Hat er etwa auch verraten, dass ich ihm bei meinem ersten Besuch in seinem Laden tierisch auf den Geist gegangen bin?“ Sie errötete auf bezaubernde Weise und winkte ihn ins Wohnzimmer.
Als Cade nickte, lachte sie. „Tja, ist mir heute auch echt peinlich. Ich hörte damals, er sei eng mit der ganzen Grunge- und Punkszene befreundet. Als ich ihn dann traf, laberte ich ihm die Ohren davon voll, wie sehr ich auf Kurt Cobain stehe. Es machte ihm Spaß, mich später immer mal wieder daran zu erinnern.“
Während sie sprach, wanderte ihr Blick zu Cades Laptop – der einzige Grund, weshalb sie Cade überhaupt in ihre Wohnung gelassen hatte. „Möchtest du etwas zu trinken?“
Es war offensichtlich, dass sie auf ein Nein von ihm hoffte und endlich das Filmmaterial sehen wollte. Doch jetzt, wo er hier war, hatte er es nicht mehr besonders eilig, mit dem zu beginnen, weshalb er gekommen war. Denn sobald sie sich das Material angesehen hatte, würde er in seine einsame Wohnung zurückkehren müssen. „Das wäre nicht schlecht“, sagte er und stellte den Laptop vorsichtig auf ihren Couchtisch. „Hast du vielleicht Bier da?“
„Nein, tut mir leid. Ich stehe nicht auf Bier. Na ja, einmal im Jahr trinke ich ein belgisches Bier.“ Sie winkte auf eine Weise ab, die ihm signalisieren sollte, dass das weder hier noch heute passieren würde. „Aber ich habe einen guten Cabernet von einem Weinkeller in Yakima. Und Tee habe ich auch, außerdem Club Soda oder Wasser.“
„Na, so was, da haben wir ja viel gemeinsam. Ich stehe nämlich weder auf Wein noch auf Tee, auch nicht einmal im Jahr.“
„Inwiefern sollten wir dann etwas gemeinsam haben?“
„Wir wissen beide genau, was wir nicht wollen. Ich nehme ein Club Soda.“
Er schaute ihr hinterher. Sie trug einen schwarzen Freizeitanzug mit weit geschnittenen Hosenbeinen. Ein halb durchsichtiges Spitzenband, unter dem ihre elfenbeinfarbene Haut zu erkennen war, lief um die Taille ihrer Hemdbluse. Cade erinnerte sich an seinen letzten Besuch hier und war überzeugt, dass sie nach seinem Anruf prompt ihren BH wieder angezogen hatte.
Welch ein Jammer.
Während sie sich in der Küche aufhielt, sah er sich in ihrem behaglich eingerichteten Wohnzimmer um. Obwohl die Sonne längst untergegangen war, verrieten die buttercremefarbenen Wände, die weißen Holzteile, die goldenen Dielenbretter und die auf den Sund und die olympischen Berge schauende Fensterfront, dass die Wohnung tagsüber hell und freundlich war. Selbst mit geschlossenen Fensterläden konnte man hier tief durchatmen.
Ava hatte bei der Einrichtung ihrer Wohnung lauter verschiedene Stile miteinander kombiniert, die nichts miteinander zu tun hatten. Trotzdem funktionierte es gut. Eine große, dick gepolsterte Couch mit schwarz-weißem Bezug und zwei erstaunlich bequem aussehende moderne Designersessel aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, die um einen als Couchtisch dienenden Schrankkoffer aus silbernem Metall mit ledernen Zierleisten standen, bildeten die Sitzgruppe. Die Essecke fiel durch einen wunderschönen Perserteppich auf. Darauf stand ein Esstisch mit Stühlen im Stickley-Stil, der nicht ganz zu den Starburst-Uhren an der Wand darüber passte. Dinge im Retrostil waren unbekümmert mit antiken Sammlerstücken kombiniert worden, mit Pflanzen, Bildern und den vielen Mädchensachen in den hohen Bücherregalen. Vielseitige Kunst sorgte für Farbtupfer über dem Kamin und der Couch.
„Bitte sehr.“ Ava servierte ihm das Getränk auf einem Untersetzer, den sie auf den Überseekoffer legte. „Setz dich doch, und trink etwas. Und dann zeig mir das gute Filmmaterial, das du mir versprochen hast.“
Cade überlegte, ob er beleidigt sein sollte, weil sie ganz offensichtlichschnell die Bilder sehen und ihn dann wieder loswerden wollte. Oder ob er im Gegenteil dankbar dafür sein sollte, dass sie ihn einmal nicht mit dieser distanzierten, sorgfältig ausgesuchten Höflichkeit konfrontierte. Er setzte sich zu ihr auf die Couch und zog den Laptop heran. Cade saß
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