Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
er erschrocken und hob kapitulierend beide Hände.
Er stieß hörbar die Luft aus. „Schon gut, ich fasse dich nicht an. Siehst du?“ Er schaute an ihr vorbei zu der riesigen Edelstahlschüssel auf der Arbeitsfläche. Die Schüssel war zur Hälfte gefüllt mit gehacktem Kohl. Die Granitarbeitsfläche war von einem Ende zum anderen beladen mit Lebensmitteln. Cade wandte sich wieder an Ava und bemerkte erst jetzt die Flecken auf ihrer ansonsten immer tadellosen Kleidung. „Was machst du hier eigentlich?“
Ihre zarten kastanienbraunen Augenbrauen zogen sich zusammen, ihre sinnlichen Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und klopfte mit dem Fuß auf den Boden. „Wonach sieht es denn aus? Ich bereite das Essen für morgen vor.“
„Du machst alles ganz alleine?“
„Was hast du denn geglaubt, wer sich um das verdammte Buffet kümmert?“
„Ich dachte, du holst alles von einem Gastronomieservice ab.“ Er schien völlig verblüfft zu sein von der Tatsache, dass sie alles allein machte.
Sie bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. „Hast du mal einen Blick auf die Quittungen geworfen, die ich abgegeben habe?“
Das war die Ava, wie er sie kannte. Die Ava, die ihm vom Kindergarten bis zur Abschlussklasse stets die Stirn geboten und niemals klein beigegeben hatte. Cade hatte viel lieber mit dieser Ava zu tun als mit der furchtbar wohlerzogenen.
„Ja, ich habe einen Blick auf die Quittungen geworfen. Ich dachte, du räumst uns einen von deinen Killer-Rabatten ein, so wie bei der Miete für die Villa.“
Sie gab einen verächtlichen Laut von sich.
„Warum hast du denn nichts gesagt?“
„Und warum hast du nichts gesagt? Oder hast es mir durch Beks ausrichten lassen? Ich habe noch nie bei einem Dokumentarfilm mitgewirkt. Du hast gesagt, kümmere dich um die Verpflegung. Da dachte ich, dass es das ist, was du von mir erwartest. Es lief ja auch alles ganz prächtig, bis sich plötzlich die Zahl der zu versorgenden Leute vervielfacht hat. Meine Güte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Deine dämliche Schauspielerin kann einfach nicht den Mund aufmachen.“
„Stell jemanden ein, der dir hilft.“
Sie nickte kurz. „Darum werde ich mich gleich morgen früh kümmern. Aber bis dahin muss ich noch einen Thai-Salat und einen Topf Suppe zubereiten.“ Sie wedelte mit der Hand. „Also verschwinde.“
Cade tat genau das. Mit einem ironischen Lächeln schloss er die Tür hinter sich.
Ganz klar, es war wirklich klasse, ein bekannter Produzent zu sein. Es war doch immer wieder ein erhebendes Gefühl von Macht, wenn einem so viel Respekt entgegengebracht wurde.
12. KAPITEL
Himmel, wenn ich mir überlege, dass da vielleicht … nur ganz vielleicht etwas ist …
A m darauffolgenden Morgen meldete Ava sich bei einem der Gastronomieservice-Unternehmen, mit denen sie sonst immer zusammenarbeitete. Sie beendete das Telefonat mit einem Lächeln auf dem Gesicht, in der Gewissheit, dass ihre Arbeitslast sich bis zum Nachmittag erheblich reduzieren würde. In gewisser Hinsicht machte sich das schon jetzt bemerkbar, da sie keinen Nachschub mehr zubereiten musste für das Essen, das die Crew heute Morgen verschlungen hatte. Da sie auf einmal Zeit hatte, machte sie sich auf die Suche nach der Schauspielerin, die Cade für die Rolle der Miss Agnes engagiert hatte.
Ava fand sie oben im Flur, wo sie leise vor sich hin murmelnd auf und ab lief. Ava stellte sich vor und erfuhr, dass die Schauspielerin Heather McNulty hieß. Sie führte die junge Frau in eines der Gästezimmer, bat sie, Platz zu nehmen, und berichtete ihr ein wenig über ihre Beziehung zu Miss Agnes. Dann forderte sie die Schauspielerin auf, ihr Fragen zu stellen, so viel sie wollte.
Zwei Stunden später fand sie Heathers Manieren noch immer lausig, und ihre Vorbehalte hinsichtlich der Fähigkeiten der Schauspielerin, Agnes zu porträtieren, waren längst nicht ausgeräumt. Natürlich hoffte sie, dass sie sich irrte, nur schätzte sie die Chancen dafür eher gering ein. Wenn es nicht um Agnes ging, brachte sie kaum einen zusammenhängenden Satz zustande. Wie, um alles in der Welt, sollte sie da überzeugend die überaus komplexe Persönlichkeit Agnes Wolcotts darstellen?
Ava musste der Schauspielerin jedoch zugutehalten, dass sie ihren Beruf ernst nahm. Sie hatte an die hundertmal Miss Agnes’ tiefe Stimme üben wollen, um sie möglichst genau nachahmen zu können. Das war bewundernswert, aber leider auch ermüdend.
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