Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
Es schlauchte Ava, die Schauspielerin immer wieder zu korrigieren.
Aber wenn es half, Miss Agnes gerecht zu werden, würde Ava der Schauspielerin jede ihr zur Verfügung stehende Information zukommen lassen.
Nachdem Heather gegangen war – weiter vor sich hin murmelnd –, beschloss Ava, dass sie sich Heathers erste Szene ansehen sollte, die Cade heute mit ihr drehen wollte. Und sei es nur, um sich zu vergewissern, dass es nicht so schlimm werden würde, wie sie befürchtete.
Vermutlich waren das zu hohe Erwartungen.
Die Assistenten hatten die Ausrüstungen der Hair- und Make-up-Stylisten aus Miss Agnes’ Schlafzimmersuite geräumt und die Filmausrüstung aufgebaut. Als Ava das Wohnzimmer betrat, herrschte dort eine Art kontrolliertes Chaos, mit dem sie inzwischen zu rechnen gelernt hatte. Helfer schleppten Sachen herum, der Lichttechniker führte Tests durch, und der Soundtechniker richtete die Mikrofone aus. Auf der anderen Seite des Raumes diskutierten Cade und Louie mit leisen Stimmen. Cade schaute dabei immer wieder auf einen kleinen Monitor.
Beks hatte Ava erzählt, dass es in der heutigen Filmszene um die Meinungsverschiedenheit zwischen Agnes und Daddy Wolcott ging, weil Agnes Flugstunden nehmen wollte. Als Ava sich erkundigte, warum man sich für diese Szene entschieden hatte, sagte Beks, sie zeige Miss Agnes’ frühen Willen zur Unabhängigkeit. Außerdem sei eine solche Spielszene interessanter als ein gesprochener Kommentar im Film. Sie forderte Ava auf, sich die kurze Dramatisierung vorzustellen, gefolgt von Fotos und einer alten Wochenschausequenz, die Agnes mit ihrem Flugzeug zeigte. Unmittelbar darauf sollte der Interview-Ausschnitt folgen, in dem Jane schwärmte, wie großartig es gewesen wäre, Miss Agnes in jener Zeit gekannt zu haben.
Das hörte sich alles sehr faszinierend an. Hauptsache, die nachgestellte Szene ging nicht in die Hose.
Mit einem unguten Gefühl lehnte sie sich an die Wand. Cadeließ den Kameramann allein, der sich um seine technischen Belange kümmern musste, und ging zu den Schauspielern, die bereits die historische Kleidung trugen. Je länger es dauerte, bis die Aufnahmen losgingen, desto mehr nahm Avas Anspannung zu.
Endlich wurde um Ruhe am Set gebeten, und dann rief Cade: „Kamera ab!“, nachdem Louie ihm das Zeichen gegeben hatte, dass er bereit sei.
Die Schauspieler begannen mit ihrer Szene, und beim Zuschauen löste sich Avas Anspannung immer mehr. Heathers Wandlung vor der Kamera war verblüffend. Es erinnerte sie an das, was Poppy im letzten November über Cades Ruf gesagt hatte, er finde stets neue, aufregende Talente, denen ein meteoritenartiger Aufstieg bevorstand.
Heather mochte in einem Gespräch nicht besonders beeindruckend wirken, doch vor der Kamera erwachte sie zum Leben. Nein, es war noch mehr. Sie schlüpfte nicht nur in ihre Rolle, sie verwandelte sich regelrecht in die zu spielende Figur.
Zumindest in diesem Fall.
Plötzlich konnte Ava durchaus die junge Agnes in ihr erkennen. Heather gab Agnes’ Eigenheiten beeindruckend wieder. Ihr Beharren, Agnes’ Stimme wieder und wieder mit Ava zu üben, hatte sich ausgezahlt. Je länger Ava der Schauspielerin zuhörte, wie sie ihren Text sprach, desto begeisterter war sie.
Ja, die Frau traf den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Sie hatte jedes Detail, von dem Ava ihr berichtet hatte, förmlich in sich aufgesogen. Jetzt machte sie sich das zunutze, um sich in Miss Agnes zu verwandeln.
Das war schon ein wenig unheimlich.
Aber es war auch sehr beeindruckend. So sehr, dass Ava den Wunsch verspürte, Jane und Poppy anzurufen, damit sie schnellstens herkamen und es sich selbst ansahen.
Allerdings wäre Cade wahrscheinlich nicht unbedingt begeistert, wenn sie Leute zum Set einlud. Sie würde sich also damit begnügen müssen, es ihren Freundinnen am Telefon zu schildern.
Zuerst aber musste sie sich vergewissern, dass die Nachmittagsbestellung,die der Cateringservice bringen sollte, schon eingetroffen war. Danach brauchte sie Zeit für ihre eigenen Arbeiten.
Sie machte sich auf den Rückweg zur Küche, wo es, zumindest vorübergehend, ruhig war. Es gelang Ava, ein paar Punkte auf ihrer Liste abzuarbeiten, bevor Beks hereingerauscht kam.
„Hallo“, sagte die Produktionsassistentin.
Ava musste über Beks’ roten Lippenstift grinsen, das schwarze Betty-Blowtorch-T-Shirt mit dem Totenkopf und den gekreuzten Pistolen, den kurzen schwarzen Rock und die klobigen Schuhe. „Selber hallo. Bist du
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