Vor uns die Nacht
Schluss machen musste.
Bei ihm kann ich das nicht. Entweder auf Augenhöhe oder gar nicht. Doch dazu muss er mich erst einmal anschauen.
Der Glanz des Halbmonds
D as wird jetzt nicht leicht.«
Dieser Satz fühlt sich komisch an, zu erwachsen und gewichtig, doch ich sage nur, was ich fühle. Josy und ich haben seit Wochen nicht richtig geredet und jetzt wollen wir nicht nur miteinander sprechen, sondern uns überdies nach allen Regeln der Kunst aussprechen. Just in dem Moment wollte ich ihr per Mail diesen Vorschlag machen, als über eine SMS eine scheue Anfrage ihrerseits kam, ob wir uns »mal wo treffen könnten«. Also machte ich Nägel mit Köpfen und schlug ihr die Uni-Cafeteria vor. Ein neutraler Boden, auf dem donnerstagnachmittags kurz vor den Semesterferien so wenig los ist, dass uns unser gut versteckter Ecktisch sicher war.
Als ich eben in den kahlen, offenen Raum trat, saß Johanna schon an dem Tischchen, zusammengesunken und fast so blass wie ich. Auch sie sieht aus, als habe sie die vergangenen Wochen wenig geschlafen. Und an ihrer unbeholfenen Art, mit der sie mich zur Begrüßung umarmte, spürte ich, wie sehr sie unter Spannung steht. Natürlich hat sie mir eine Genesungskarte geschrieben, als ich im Krankenhaus lag. Doch früher hätte sie mich jeden Tag zweimal besucht. Deshalb ist es okay, wenn ich sage, dass es nicht leicht wird, dann muss sich keiner von uns den Kopf darüber zerbrechen, wenn wir stottern wie Fremde und uns einen Wettbewerb im Erröten liefern.
»Also, warum wir hier sind, ich …«, versuche ich es tapfer, doch Johanna unterbricht mich, indem sie zart ihre Hand auf meine legt und mich für eine kurze Sekunde direkt ansieht. Ihre Lider sind leicht gerötet.
»Herzlichen Glückwunsch. Ich wusste es doch immer.«
»Glückwunsch?«, hake ich verdutzt nach. »Wovon redest du? In meinem Leben gibt’s nichts zu gratulieren.«
»Na, du und Jonas! Das ist doch ein Grund, oder?« Ihre Lippen zucken leicht, als sie mich anlächelt und erneut meine Hand berührt. »Alles Gute, ihr werdet bestimmt glücklich.«
»Hat er es dir gesagt?«, frage ich verunsichert. Was genau hat er ihr erzählt, dass ich heulend vor ihm auf die Knie gegangen bin und wir seitdem »Fass mich nicht an« spielen?
»Ja, gleich nachdem ihr … na, nachdem ihr zueinandergefunden habt. Siehst du, ich hab es dir immer gesagt. Ihr seid füreinander bestimmt.«
So. Keine Lügen mehr. Das ist ja zum Verrücktwerden hier. Gut, ich hab es Jonas noch nicht gesagt, aber Josy ist meine beste Freundin. Es war schon blöd genug, ihr nie etwas von Jan erzählt zu haben, möglicherweise wäre alles nicht so dramatisch geworden, wenn ich mich ab und zu hätte bei Josy ausheulen können. Bezüglich Jonas will ich diesen Fehler nicht wiederholen.
»Ehrlich gesagt, so sicher bin ich mir da gar nicht«, rücke ich mit der Wahrheit heraus und schlage beschämt die Wimpern nieder.
»Was? Oh, Ronia, ich halte das langsam nicht mehr aus! Das geht nicht, du kannst das nicht bringen! Denkst du denn gar nicht an …« Händeringend bricht Johanna ab. »Ihr seid jetzt zusammen, alles ist gut, ihr werdet zusammenbleiben, okay? Heiratet und kriegt Kinder, bitte. Ich muss auch endlich mal mein Leben leben …«
»Es hat sich nichts verändert.« Seufzend rücke ich meinen Stuhl ein Stück zurück. »Ich hab so die Nase voll davon, echt. Alle seid ihr dieser fixen Idee verfallen, dass Jonas und ich das Traumpaar schlechthin sind, und wahrscheinlich hab ich nur deshalb gedacht, dass er … Josy? He, sag mal, weinst du?« Sie weint nicht nur – sie schluchzt wie ein Baby und zittert am ganzen Körper. Das können auch ihre schmalen, kleinen Hände nicht verbergen, die sie auf ihr Gesicht gelegt hat. »Was ist denn los?«
»Ich halt das nicht mehr aus. Dieses ewige Hin und Her mit euch. Immer hast du behauptet, du willst ihn nicht, aber er hat dich angehimmelt und ihr wart dauernd zusammen unterwegs, dann, plötzlich, ziehst du zu ihm, ihr wohnt in einer WG, wie ein echtes Paar! Aber du verliebst dich in andere und immer geht es schief und immer denke ich: Ja, das ist so, weil sie eigentlich Jonas liebt, sie wird es schon noch kapieren. Jetzt die komische Sache mit Jan, danach weißt du es endlich … und nun doch wieder Hoffnung? Ich werde noch wahnsinnig!«
Puh. So viele Sätze reiht Johanna höchstens hintereinander, wenn sie zwei Gläser halbtrockenen Sekt und drei Saunagänge intus hat. Ich nehme mir ein wenig Zeit, sie zu
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