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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sagen? Er öffnet sich mir, es passiert genau das, was ich ersehnt hatte, von ganz alleine. Und es genügt mir nicht?
    »Hab nicht behauptet, dass es mir reicht. Ich sehe das wie du. Von dir muss auch was kommen, Baby.«
    »Bitte was?« Ich bin so vor den Kopf gestoßen, dass ich meinen Kosmetikbeutel auf meine Knie nehme und beginne, meinen Nagellack nach Farben zu sortieren. Weit komme ich damit nicht, denn ich habe nur drei Farben. Silbergrau, Perlmutt und French Rosé. Doch dann zeigt mir das Plätschern der Badewanne, dass sich immer noch jemand darin befindet und auf einen vollständigen Satz wartet. Kai Schuster hatte danebengelegen – früher war es sicherlich eine meiner Begabungen, Sätze zu Ende zu bringen. Durch Jan habe ich das verlernt. Ich kann nur noch stammeln. »Was soll denn noch von mir kommen?«
    »Außer?«, hakt Jan kratzig nach und unterdrückt ein Bäuerchen.
    »Na, außer dass ich … du weißt doch, was ich alles getan habe. Mit dir. Also wir zusammen.« Ich und ein rhetorisches Talent? Himmel, hab ich abgebaut. Fataler noch: Ich habe in den vergangenen Wochen meine Ex-Freunde nachgespielt. Stammeln, Stottern. Ausweichen. Schluss machen.
    »Genau, wir zusammen. Aber was kam von dir?«
    »Jan, ich versteh nicht, was du meinst! Hätte ich noch mehr austesten sollen? Außerdem wollte ich das – das eine zu Ende bringen, du weißt schon, aber du wolltest es nicht.« Mit einem heißen Schauer im Bauch denke an diesen Moment zurück, als ich ihm so nah war und er doch kurz vorher unsere Position änderte – das einzige Mal, dass er nicht mir die Führung überlassen hatte. »Überhaupt, du hast es nie zu Ende gebracht, auch auf dem üblichen, klassischen Weg nicht.«
    »Ich hab es schon zu Ende gebracht.«
    »Aber nicht in mir!«, protestiere ich lautstark, obwohl mir das Thema peinlich ist. Zugleich bin ich froh, es endlich zur Sprache bringen zu können.
    »Haste mal überlegt, warum?« So langsam gehen mir seine Fragen gehörig auf den Senkel. Ich schneide hier intimste Themen an und alles, was er tut, ist, sich noch tiefer in das Wasser zu versenken und mit geschlossenen Augen seine Interviewbomben abzuschießen.
    »Ja, hab ich. Und ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Außer, dass du vielleicht Angst hast …« Sein leises Lachen nimmt mir meinen letzten kläglichen Rest von Überzeugung.
    »Angst, dass du schwanger wirst? Klar, wäre nicht gut, wenn das passieren würde. Aber dazu reicht ein verirrtes Spermium während des Vorspiels.«
    »Dann erzähl du es mir doch.«
    »Das ist auch für mich was Persönliches, Ronia. In dir zu kommen. Egal, auf welche Weise, aber vor allem auf die eine.«
    »Wie hätten wir denn persönlicher sein können, als miteinander zu schlafen?« Meine Stimme ätzt vor Spott. Ich fühle mich angegriffen und befeuert. Er hatte keine Angst vor einer Schwangerschaft, sondern wollte mir etwas vorenthalten? Warum das denn?
    »Ich kenne dich doch kaum. Was weiß ich denn schon über dich, außer, dass du im Sand spielst und eventuell eine chronische Krankheit hast? Das ist genau das, was ich eben schon sagte: Von dir muss auch was kommen.«
    Jetzt kann ich nicht mehr sitzen bleiben. Aufgebracht springe ich auf, schnüre mir den Mantel enger zu und möchte im Kreis laufen. Doch das Badezimmer ist dafür zu klein und die Versuchung zu groß, dabei einen Blick in den lichter werdenden Badeschaum zu werfen. Blicke hat Jan nicht verdient. Schon gar nicht auf jene ach so heilige Zone, über die wir gerade sprechen.
    »Ich weiß doch auch nichts über dich! Darum geht es ja gerade! Deshalb komme ich mit dem ganzen Mist nicht mehr klar!«, verschaffe ich meinem Ärger Raum, obwohl ich langsam ahne, dass es uns eigentlich um das Gleiche geht.
    »Ach ja?« Jan schiebt einen Fuß aus der Wanne und wackelt mit den Zehen, was wundersamerweise so besänftigend auf mich wirkt, dass ich mich wieder setze. Dieses Mal aber auf den umgeklappten Klodeckel, sodass ich wenigstens auf Augenhöhe mit ihm bin. »Ronia, ich habe dir so oft die Hand gereicht. So oft. Du hast sie nie ergriffen.«
    »Wie meinst du das?« Oh nein. Schon wieder ein »Wie meinst du das?«. Mein neuer Lieblingssatz.
    »Ich hab dich mit zu den Hunden genommen. Mann, du warst Zeuge eines Gesetzesbruchs – wie kann ich dir denn deutlicher mein Vertrauen zeigen? Du lebst mit einem Bullen zusammen! Und was machst du? Haust ab. Ich lade dich in meine Wohnung ein, mein Refugium, und erwähne eines meiner größten

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