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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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und in hellem Entzücken zu spüren, wie er seine Beine über meinen Oberschenkeln und die Arme über meinen Schultern kreuzt. Ich kann mich nicht mehr rühren, bin gefangen und ausgeliefert und es ist der süßeste Käfig, den ich mir vorstellen könnte. Ich höre sein Herz schlagen.
    Wieder hilft er mir, öffnet an meiner Stelle sein Hemd, sodass ich seine Brustwarzen mit meiner Zunge ertasten und seine Haut riechen kann, die überall anders duftet, unter den Achseln herb und dunkel, in der Nähe seines Herzens nach warmem Wüstenstaub und seinem Parfum, am Hals nach Seife, im Nacken nach Haaren und dazu mild und sanft … Ich bin völlig überfordert, ich weiß nicht, was ich zuerst tun soll. Mir ist danach, mich einen Moment auszuruhen – und offenbar darf ich es.
    Er nimmt die Arme und Beine nicht von mir, sondern wickelt mich nur fester ein, als wäre es ihm sogar recht, wenn ich einnicke. Auch sein Atem geht ruhiger als gerade noch. Doch seine Hüften verraten mir, dass er erregt ist. Ich bin es auch, aber zu beeindruckt und überwältigt, um es mit vollen Sinnen in mich aufnehmen zu können.
    Er umarmt mich, ist das wirklich wahr? Jan umarmt mich – und in diesem Augenblick ist er alles für mich, Geliebter, Freund, Bruder, Engel. Seelengefährte. Zu viel und zu schön.
    »Ich liebe dich«, denke ich, so aufrichtig und rein, dass ich nicht einmal erschrecke. Es ist so, ich kann nichts dagegen ausrichten. Ich habe es mir nicht ausgesucht, aber es ist da. Schon wieder erleuchten die Worte meinen Kopf, mein Herz und meinen Bauch, schlicht und unmissverständlich. Ich liebe dich.
    Ahnt er es?
    Blinzelnd öffne ich die Augen, um mich zur Besinnung zu bringen, und schaue auf die Wand, wo ein gerahmtes Miniaturporträt einer Frau hängt, eine Schwarz-Weiß-Aufnahme älteren Datums – seine Großmutter? Ich weiß nichts über ihn, begreife ich so deutlich, wie es in meinen Tagträumereien nie möglich war, weil ich es stets von mir schob. Ich weiß nicht, wie alt er war, als er sich zum ersten Mal verliebte, was er gerne isst und wovor er sich fürchtet. Warum er wieder in der Stadt ist, ob er Freunde hat und welche Fächer seine Leistungskurse sind, nicht, was er später tun will und woran er denkt, bevor er nachts einschläft. Wir haben noch nie richtig miteinander gesprochen und jetzt hält er mich so nah bei sich, minutenlang, wie es noch kein Mann zuvor getan hat. Die anderen wurden nach einer gewissen Zeit nervös und schoben mich von sich. Doch er bleibt ruhig und wartet, bis ich mich gesammelt habe. Was soll ich nur anderes denken außer, dass ich ihn liebe?
    »Diese Musik, was …?« Das Sprechen fällt schwer.
    »Ach, da brechen meine arabischen Inkarnationen durch. Irgendein Dubai Chillout Deluxe oder so. Hab ich mir im Netz runtergeladen.«
    »Arabische Inkarnationen?« Ich komme mir plötzlich sehr einfältig vor, aber Jans Hand wandert erneut und dieses Mal etwas forscher unter meinen Hosenbund, sodass ich Denken und Fragen kurzerhand über Bord werfe. Küssen ist besser als reden. Zumal es das Einzige ist, was ich noch kann, küssen und meine Hände über seine Hüften, seine Brust und seinen …
    »Du … hast du gerade deine fruchtbaren Tage?«
    »Was? Ich meine, wie bitte?« Himmel, das hat mich noch kein Mann mitten im Liebesspiel gefragt, wobei Jan es nur flüsterte, was diesem Satz aber nicht seine Sprengkraft nehmen kann. Ich bin völlig konsterniert. »Nein, ich verhüte doch mit der Pille, also ich meine, ist egal. Hab sie aber trotzdem nicht, vom Zyklus her. Kann nichts passieren.«
    Ohne zu antworten, küsst er mich von Neuem und erobert weiter das Innenleben meiner Jeans, doch sie lässt ihm nicht allzu viele Möglichkeiten. Sie sitzt gut und auf dem Sofa liegend möchte ich mich nicht aus ihr herausschälen, obwohl ich es kaum mehr ertrage, dass seine Hände ständig an unüberwindbare Grenzen stoßen. Es ist sowieso zu wenig Platz hier. Wir rutschen dem Rand der Couch gefährlich nahe.
    »Leg deine Arme um meinen Hals und vertrau mir. Nicht klammern. Einfach nur Arme um den Hals. Nicht klammern, hab ich gesagt, lass mich machen.« Er muss lachen, leise nur und nicht spöttisch, sondern neckend, aber es verstärkt meine Unsicherheit. Ich bin ein Fliegengewicht, doch das, was er hier vorhat, wird nicht gut ausgehen. So viel weiß ich über die Gesetze der Physik. »Vertrauen. Ronia?«
    »Ich falle runter.«
    »In meinem Armen kannst du nicht fallen.« Er gehört gestraft und gefoltert

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