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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Ergebnis klar, kein Irrtum möglich. Ich blute. Ein Tag zu früh – ein verdammter Tag zu früh, wie kann das sein? Ich nehme die Pille, sogar immer zur gleichen Stunde, ich habe einen Zyklus wie ein Uhrwerk und so gut wie nie Zwischenblutungen. Seit Jahren bekomme ich meine Periode samstagmittags, was mir schon so manche Party ruiniert hat, aber niemals freitags. Das ist eine Premiere und die nächsten Tage sind vorprogrammiert: Unterleibskrämpfe, Kopfschmerzen, schlechte Haut und noch schlechtere Laune.
    Ich wickele mich in meinen dicken, flauschigen Bademantel und lasse mich mit weichen Knien auf dem Badezimmerhocker nieder. Die Utensilien, die sich vor mir aufreihen, kann ich wieder wegpacken und auch die Joggingklamotten kommen zurück in den Schrank. Ich kann beides vergessen, Sex und Sport, denn wenn ich meine Tage habe, ist beides Mord. Ganz zu schweigen davon, dass man so etwas einem Freizeit-Lover niemals zumutet. Man spricht nicht einmal davon. Alles, was meine erotische Aura ruinieren könnte, ist bei Jan tabu. Also werde ich ihn heute nicht sehen. Und wieder eine Woche warten, in all der seelischen Misere, die meine Hormonturbulenzen mit sich bringen?
    »Das kann so nicht weitergehen«, hallt meine Stimme durch das Badezimmer. Obwohl ich leise gesprochen habe, scheinen die gekachelten Wände meine Botschaft tausendfach zu wiederholen. Ich mache mir etwas vor, wenn ich glaube, ich würde das nur noch drei weitere Wochen durchhalten. Das schaffe ich nicht.
    Ich muss wenigstens herausfinden, ob er es aufrichtig schön fand mit mir und seine Nachricht nicht nur eine besänftigende Floskel war. »Einfach nur schön« – das besagt gar nichts und das »nur« darin könnte zudem bedeuten: Glaub ja nicht, dass mehr daraus wird. Ja, ich werde zu ihm gehen und ihn mit meinen Gedanken konfrontieren. Es ist gut, dass heute nichts läuft. Wir werden reden, anstatt zu fummeln, und ich habe gute Gründe, das durchzuhalten. Am ersten Tag meiner Blutung könnte man mir Ryan Gosling nackt auf den Bauch binden und ich würde nur angewidert die Augen schließen und hoffen, dass jemand die Knoten löst. Alles, was ich dann tun kann und mir meistens auch sehnlich wünsche, ist, geschützt und warm im Arm gehalten zu werden. Deshalb Kopf statt Herz, egal, was passiert.
    Schon auf dem Weg zum Fluss merke ich, dass es heftiger wird als sonst. Immer wieder zieht sich meine Gebärmutter dumpf zusammen, meine Beine schmerzen und ein verräterisches Klopfen macht sich in meiner rechten Schläfe breit. Absoluter Wrack-Modus – und mit Sicherheit sieht man mir das an. Deshalb versuche ich gar nicht erst, meinen Zustand mit einem Grinsen und Flirtaugen zu überspielen, als ich bei Jan klingele, denn inzwischen bin ich mir in einer täuschenden Gleichgültigkeit darüber im Klaren, dass das der letzte Abend sein wird, an dem ich meinen Finger auf den kühlen Messingknopf drücke. Zu meiner Überraschung summt der Öffner so schnell, dass ich den Eindruck bekomme, Jan habe mich gesehen und erwartet. Oder ist er auf dem Sprung und stand schon an der Tür?
    »Hey, Ronia.« Er hat einen Kochlöffel in der Hand und verschwindet sofort wieder in der Küche, wo er den Löffel mit sicherem Wurf in der Spüle versenkt und eine Auflaufform in den Backofen schiebt. »Haste ’ne Trainingskrise?«
    Krise ist das passende Stichwort. »Ich kann heute nicht«, versuche ich mit einer klaren Ansage sämtliche Eventualitäten auf einen Schlag zu vernichten. »Weder das eine noch das andere. Ich …«
    »Hab verstanden, du hast deine Tage.« Seine Reaktion ist eher eine Feststellung als eine Frage und es wurmt mich, dass er ins Schwarze trifft, ohne mich überhaupt genauer angesehen zu haben.
    »Hab ich nicht. Okay, hab ich doch.« In einem plötzlichen Schwächegefühl lehne ich mich an die Wand und versuche meine Bauchschmerzen durch Handauflegen zu dämmen. Ich benehme mich wie eine Vierzehnjährige. Am besten haue ich ab und komme nie wieder.
    »Ist doch gut, dann bist du wenigstens nicht schwanger.«
    »Ich nehme die Pille!«, fauche ich Ganesha im astreinen Furiengebaren an. Denn Jan ist nur grinsend hinter einer offenen Küchenschranktür verschwunden, und ich zwinge meine Kehle hinunter, was mir sonst noch auf der Zunge liegt. Wie, bitte, soll ich denn seiner Meinung nach schwanger werden, wenn wir doppelt und dreifach verhüten – Pille, Kondom, Coitus interruptus?
    Das ist also seine große Furcht – Verantwortung. Dass ich ihm ein Baby

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