Vor Vampiren wird gewarnt
interpretierte. Diese Erfahrung hatte ich schon einmal gemacht. Damals wurden sie jedoch vom Verstand eines Erwachsenen gefiltert, und wir hatten uns den Spaß gemacht, unsere telepathischen Fähigkeiten zu kombinieren und mal auszuprobieren, was dabei herauskommen würde. Hunter filterte und sortierte meine Gedanken nicht so, wie jemand Älteres es getan hätte.
Nachdem er seinen Sohn noch einmal in die Arme genommen hatte, ging Remy, wenn auch zögernd. Hunter und ich suchten und fanden die Malbücher, und es zeigte sich, dass Hunter lieber als alles andere auf der Welt Figuren bunt anmalte. Also setzte ich ihn an den Küchentisch und begann damit, das Abendessen vorzubereiten. Ich hätte natürlich selbst etwas kochen können, fand aber, dass ein Fertiggericht nicht so viel Aufmerksamkeit erfordern würde, was sicher besser war bei Hunters erstem Aufenthalt bei mir. Magst du Hamburger Helper?, fragte ich ihn stumm. Er sah auf, und ich zeigte ihm die Packung.
Die mag ich, erwiderte Hunter, weil er das Bild mit den Makkaroni und der Soße darauf wiedererkannte. Dann wandte er all seine Aufmerksamkeit erneut der Schildkröte und dem Schmetterling zu, die er gerade anmalte. Die Schildkröte war grün und braun, bewährte Schildkrötenfarben, doch beim Schmetterling hatte Hunter es etwas übertrieben. Er war lila, gelb, blau und smaragdgrün ... und Hunter war noch nicht mal fertig mit ihm. Mir fiel auf, dass Hunters Ehrgeiz nicht gerade darin lag, innerhalb der Umrisslinien zu bleiben. Aber das war okay.
Kristen hat immer Hamburger Helper gemacht , erzählte er mir. Kristen war die Freundin seines Vaters gewesen. Remy hatte mir erzählt, dass sie sich getrennt hätten, weil Kristen mit Hunters besonderem Talent nicht zurechtkam. Kristen hatte Hunter irgendwann nur noch unheimlich gefunden, was mich nicht weiter überraschte. Erwachsene hatten auch mich immer für ein seltsames Kind gehalten. Aber auch wenn ich es jetzt verstand, war es damals doch verletzend gewesen. Sie hatte Angst vor mir, fuhr Hunter fort und sah dabei einen Moment auf. Den Blick konnte ich nur allzu gut verstehen.
Sie hat es einfach nicht verstanden, erwiderte ich. Es gibt nicht viele Leute wie uns.
Bin ich der Einzige außer dir?
Nein. Ich kenne noch einen, einen Mann. Er ist schon erwachsen und lebt in Texas.
Ist er okay?
Ich wusste nicht genau, was Hunter mit »okay« meinte, bis ich ein wenig länger in seinen Gedanken gelesen hatte. Der Junge dachte an seinen Vater und ein paar andere Männer, die er bewunderte - Männer, die Jobs hatten und Ehefrauen oder Freundinnen, Männer, die arbeiteten. Normale Männer.
Ja , antwortete ich. Er hat es geschafft, einen Beruf daraus zu machen. Er arbeitet für Vampire. Vampirgedanken kann man nicht lesen.
Wirklich nicht? Ich hab noch nie einen getroffen.
Es klingelte an der Haustür. »Bin gleich wieder da«, sagte ich zu Hunter, eilte zur vorderen Tür und sah durch den Spion. Eine junge Vampirin stand davor - vermutlich Heidi, die Fährtenleserin. Mein Handy klingelte. Ich zog es aus der Tasche meiner Shorts.
»Heidi sollte vor deiner Tür stehen«, erklärte mir Pam ohne weitere Vorrede. »Hat sie schon geklingelt?«
»Brauner Pony, blaue Augen, groß?«
»Ja, du kannst sie hereinlassen.«
Das kam ja alles genau zum richtigen Zeitpunkt.
Im Nu hatte ich die Tür geöffnet. »Hi, kommen Sie doch herein. Ich bin Sookie Stackhouse.« Ich trat zur Seite, reichte ihr aber nicht die Hand. Vampire haben das nicht gern.
Heidi nickte mir zu, kam ins Haus und scannte mit einem blitzartigen Blick ihre Umgebung, so als wäre es unhöflich, sich in aller Ruhe umzusehen. Hunter kam ins Wohnzimmer gerannt und machte eine Vollbremsung, als er Heidi sah. Sie war groß und knochig und möglicherweise stumm. Aber egal, jetzt konnte Hunter gleich mal testen, was ich ihm erzählt hatte.
»Heidi, das ist mein Freund Hunter«, stellte ich ihn vor und wartete auf Hunters Reaktion.
Er war fasziniert und strengte sich an, ihre Gedanken zu lesen, sosehr er nur konnte. Und freute sich schließlich über das Ergebnis, über die absolute Stille um sie herum.
Heidi ging in die Hocke. »Hunter, du bist ja ein feiner Kerl.« Ein Glück, sie konnte doch sprechen. Ihre Stimme hatte einen Akzent, den ich mit Minnesota verband. »Wirst du lange hier bei Sookie bleiben?« Beim Lächeln ließ sie Zähne sehen, die etwas länger und schärfer waren als die normaler Menschen, und ich fürchtete schon, Hunter könnte
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