Vor Vampiren wird gewarnt
vielleicht Angst vor ihr bekommen. Doch er musterte sie aufrichtig fasziniert.
Kommst du, weil du mit uns essen willst? , fragte er Heidi.
Laut sprechen, Hunter, ermahnte ich ihn. Heidi ist zwar anders als die Menschen, aber sie ist trotzdem nicht wie wir. Weißt du noch, was ich dir vorhin erzählt habe?
Er sah mich an, als fürchtete er, ich könnte verärgert sein. Ich lächelte und nickte ihm aufmunternd zu.
»Willst du mit uns essen, Miss Heidi?«
»Nein, danke, Hunter. Ich bin hier, um draußen im Wald nach etwas zu suchen, das wir verloren haben. Ich werde euch nicht länger stören. Mein Boss hat mich gebeten, mich hier vorzustellen und dann an die Arbeit zu gehen.« Heidi richtete sich wieder auf und lächelte den kleinen jungen an.
Und plötzlich erkannte ich die drohende Falle. Was war ich nur für eine Idiotin. Wie wollte ich dem Jungen helfen, wenn ich ihm keine Ratschläge gab? Sie darf nicht wissen, dass du Gedanken lesen kannst, Hunter, warnte ich den Jungen. Er sah mich an, und mir fiel auf, wie sehr seine Augen denen meiner Cousine Hadley glichen. Er wirkte ein wenig verängstigt.
Heidi sah von Hunter zu mir. Offenbar spürte sie, dass da etwas vor sich ging, das sie nicht mitbekam.
»Heidi, ich hoffe, Sie finden da draußen etwas«, sagte ich forsch. »Geben Sie mir doch bitte Bescheid, ehe Sie wieder gehen.« Ich wollte nicht nur wissen, ob sie etwas gefunden hatte, sondern auch sicher sein, dass sie mein Land wirklich wieder verließ.
»Es sollte nicht länger als zwei Stunden dauern«, erwiderte sie.
»Ach, und entschuldigen Sie, dass ich Sie gar nicht in Louisiana willkommen geheißen habe«, sagte ich. »Es hat Ihnen hoffentlich nicht zu viel ausgemacht, von Las Vegas hierherzuziehen.«
»Darf ich wieder malen gehen?«, fragte Hunter.
»Sicher, Schatz«, erwiderte ich. »Ich komme gleich nach.«
»Ich muss mal aufs Klo«, rief Hunter auf einmal, und ich hörte die Badezimmertür schlagen.
»Mein Sohn war so alt wie er, als ich zur Vampirin wurde.«
Ihre Worte kamen so unvermittelt und ihre Stimme klang so ausdruckslos, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu begreifen, was sie mir da erzählt hatte.
»Das tut mir sehr leid«, sagte ich, und das meinte ich aufrichtig.
Heidi zuckte die Achseln. »Es ist schon zwanzig Jahre her. Inzwischen ist er erwachsen, lebt in Reno und ist drogensüchtig.« Ihre Stimme war immer noch ausdruckslos und verriet keinerlei Gefühl, so als würde sie über den Sohn einer Fremden sprechen.
Sehr vorsichtig fragte ich: »Sehen Sie ihn noch?«
»Ja«, sagte sie, »deswegen fahre ich öfter nach Reno.
Zumindest habe ich es getan, ehe mich mein früherer ... Arbeitgeber hierhergeschickt hat.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber sie stand immer noch da, also wagte ich es, eine weitere Frage zu stellen. »Zeigen Sie sich ihm auch?«
»Ja, manchmal. Einmal habe ich sogar den Krankenwagen gerufen, als er eine Überdosis genommen hatte. Und in einer anderen Nacht habe ich ihn vor einer dieser vampirblutsüchtigen Kreaturen gerettet, die ihn umbringen wollte.«
Eine ganze Herde Gedanken donnerte durch meinen Kopf, und sie waren allesamt unerfreulich. Wusste er, dass die Vampirin, die ihn beobachtete, seine Mutter war? Was, wenn er tagsüber eine Überdosis nahm, solange sie dem Reich der Toten angehörte? Wie würde sie sich fühlen, wenn sie nicht da war in jener Nacht, in der ihn sein Glück endgültig verließ? Sie konnte ja nicht ständig da sein. War er vielleicht drogensüchtig geworden, weil seine Mutter, die doch eigentlich tot sein sollte, immer wieder auftauchte?
»Früher«, sagte ich, weil ich irgendetwas sagen musste, »haben die Schöpfer der Vampire mit ihren neuen Schützlingen die Gegend stets verlassen, sobald sie diese zu Vampiren gemacht hatten. Damit ihre Verwandten sie nicht erkennen.« Eric, Bill, Pam - alle hatten mir das erzählt.
»Ich hatte Las Vegas für mehr als zehn Jahre verlassen, bin dann aber zurückgekehrt«, begann Heidi. »Mein Schöpfer brauchte mich dort. Es ist eben nicht für alle von uns so großartig, weiter an der Welt teilzuhaben, wie für unsere Oberen. Ich glaube, Victor hat mich zu Eric nach Louisiana geschickt, um mich von meinem Sohn zu trennen. Ich sei zu nichts zu gebrauchen, sagten sie, solange Charlies Probleme mich ablenken. Andererseits wurde mein besonderes Talent zum Fährtenlesen erst entdeckt, als ich nach dem Mann suchte, der Charlie gepanschte Drogen verkauft hatte.«
Ein
Weitere Kostenlose Bücher