Vor Vampiren wird gewarnt
angedeutetes Lächeln umspielte ihren Mund, und ich konnte mir gut vorstellen, welches Ende das Leben dieses Mannes genommen hatte. Heidi war wirklich unheimlich.
»Jetzt werde ich mal sehen, was ich da draußen auf Ihrem Land finde. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich fertig bin.« Sobald sie aus der Tür getreten war, verschwand Heidi derart schnell Richtung Wald, dass ich sie, als ich hinten aus dem Küchenfenster sah, nur noch als Schatten zwischen den Bäumen wahrnahm.
Ich hatte schon viele seltsame Gespräche geführt und auch so einige herzergreifende - doch das Gespräch mit Heidi war beides gewesen. Zum Glück blieben mir noch einige Minuten, um mich davon wieder zu erholen, während ich unsere Teller auffüllte und aufpasste, dass Hunter sich die Hände wusch.
Ich freute mich, dass der Junge ganz selbstverständlich vor dem Essen beten wollte, und so neigten wir gemeinsam unsere Köpfe. Ihm schmeckten seine Makkaroni mit Soße, und auch die grünen Bohnen und die Erdbeeren. Während wir aßen, plauderte Hunter munter über seinen Vater. Remy wäre bestimmt entsetzt gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Hunter nicht eine Einzelheit ausließ. Und ich musste mich beherrschen, um nicht zu lachen. Jedem anderen wäre unser Gespräch vermutlich ohnehin höchst seltsam erschienen, da es teils in Gedanken und teils laut geführt wurde.
Nach dem Essen trug Hunter, ohne dass ich ihn darum bitten musste, seinen Teller zur Spüle. Ich hielt den Atem an, bis er ihn vorsichtig dort abgestellt hatte. »Hast du einen Hund?«, fragte er und sah sich um, als könnte sich jeden Augenblick einer materialisieren. »Unsere Reste kriegt immer der Hund.« Ich erinnerte mich an die kleine schwarze Promenadenmischung, die ich im Garten von Remys kleinem Haus in Red Ditch hatte herumflitzen sehen.
Nein, habe ich nicht, erwiderte ich.
Du hast einen Freund, der sich in einen Hund verwandelt? , fragte er mit erstaunt aufgerissenen Augen.
»Ja, habe ich«, sagte ich. »Er ist ein guter Freund.« Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Hunter das aufschnappen würde. Es war ganz schön heikel.
»Mein Dad sagt, ich bin klug«, meinte Hunter und blickte eher zweifelnd drein.
»Natürlich bist du das«, versicherte ich ihm. »Ich weiß, wie schwierig es ist, anders zu sein, weil ich auch anders bin. Aber jetzt, als Erwachsene, ist es okay.«
Du machst dir aber Sorgen , erwiderte Hunter.
Ich konnte Remy nur zustimmen, Hunter war ein kluger kleiner Junge.
Das tue ich. Es war schwierig für mich, erwachsen zu werden, weil keiner verstand, warum ich anders war. Die Leute glauben einem einfach nicht. Ich setzte mich auf einen Stuhl beim Tisch und zog Hunter auf meinen Schoß. Zuerst fürchtete ich, er könnte sich bedrängt fühlen, aber es schien ihm zu gefallen. Die Leute wollen einfach nicht wissen, dass jemand hören kann, was sie denken. Wenn Menschen wie wir um sie sind, haben sie keine Privatsphäre mehr.
Hunter verstand nicht genau, was »Privatsphäre« hieß, also unterhielten wir uns eine Weile darüber. Das ging vielleicht über den Horizont der meisten Fünfjährigen - aber Hunter war eben kein durchschnittliches Kind.
Sorgt der im Wald für deine Privatsphäre? , fragte Hunter mich.
Was? Ich wusste sofort, dass ich viel zu beunruhigt und bestürzt reagiert hatte, als ich Hunters unglückliche Miene sah. Mach dir darüber keine Sorgen, Schatz, erwiderte ich. Nein, er ist kein Problem.
Hunter beruhigte sich zwar schnell wieder, aber ich hatte den Eindruck, dass es an der Zeit war, das Thema fallen zu lassen. Seine Aufmerksamkeit schweifte immer öfter ab, und so ließ ich ihn herunter. Er begann mit seinen Duplos zu spielen, die er in seinem Rucksack mitgebracht hatte und die er jetzt mit dem Kipplaster von seinem Schlafzimmer in die Küche transportierte. Ich dachte kurz daran, ihm nachträglich zum Geburtstag etwas von Lego zu schenken; aber das sollte ich besser erst mit Remy besprechen. Beim Abwasch hörte ich Hunters Gedanken zu.
Ich erfuhr, dass er genau wie jeder andere Fünfjährige ein enormes Interesse am eigenen Körper hatte und dass er es komisch fand, warum er beim Pinkeln stehen, ich mich aber setzen musste; und dass er Kristen nicht mochte, weil sie ihn in Wirklichkeit gar nicht leiden konnte. Sie hat nur so getan, erklärte er mir, gerade so, als hätte er gewusst, dass ich seine Gedanken las.
Ich stand mit dem Rücken zu Hunter an der Spüle, aber das änderte nichts an unserer Unterhaltung, was
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