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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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ich. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
    »Passen Sie auf den Kleinen auf«, sagte die Vampirin noch, und dann war sie über die Veranda und die Stufen hinunter verschwunden. Ich hörte sie nicht ums Haus zu ihrem Auto gehen, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Vampire können extrem leise sein. Ich hörte allerdings den Motor ihres Autos anspringen, bevor sie davonfuhr.
    Weil ich wusste, dass meine Gedanken Hunter beunruhigen könnten, zwang ich mich, an andere Dinge zu denken - was schwieriger war, als es klingt. Lange würde ich es nicht tun müssen, ich konnte schon sehen, dass mein kleiner Besucher langsam müde wurde. Er machte den erwarteten Aufstand ums Zubettgehen, aber er protestierte kaum noch, als ich ihm sagte, er dürfe zuerst noch ein Bad in der faszinierenden Wanne mit den Klauenfüßen nehmen. Ich blieb im Badezimmer, während Hunter planschte, spielte und lärmte, und blätterte eine Zeitschrift durch. Und ich sorgte dafür, dass er sich zwischen all dem Schiffeversenken und Enten Wettschwimmen auch wusch.
    Haare waschen fiel heute aus, beschloss ich, denn das würde bestimmt eine Tortur werden. Und Remy hatte mir auch keinerlei Instruktionen fürs Haarewaschen gegeben. Also zog ich den Stöpsel aus der Wanne. Hunter hatte einen Heidenspaß, als das Wasser gurgelnd in den Abfluss floss, und rettete all seine Enten vor dem Ertrinken, was ihn natürlich zu einem Helden machte. »Ich bin der König der Enten, Tante Sookie«, krähte er juchzend.
    »Die brauchen wirklich auch einen König«, versicherte ich ihm. Schließlich wusste ich, wie dumm Enten waren. Meine Großmutter hatte einmal eine Zeit lang welche gehalten. Ich passte auf, dass Hunter sich richtig abtrocknete, und half ihm in den Schlafanzug. Auf meine Aufforderung hin ging er noch mal auf die Toilette, und dann putzte er sich die Zähne, wenn auch nicht sehr gründlich.
    Eine Dreiviertelstunde später, nach der ein oder anderen Geschichte, lag Hunter im Bett. Auf seine Bitte hin ließ ich das Licht in der Diele brennen und die Tür seines Zimmers einen Spalt weit offen.
    Und dann war ich so erledigt, dass ich erst mal keine Lust mehr hatte, über Heidis Neuigkeiten zu rätseln. Ich war es nicht gewöhnt, mich um ein Kind zu kümmern, auch wenn Hunter unkompliziert war, besonders für einen kleinen Jungen, der über Nacht bei einer Frau blieb, die er kaum kannte. Ich konnte nur hoffen, dass unsere Gedankengespräche auch für ihn ein Vergnügen waren und Heidi ihn nicht zu sehr erschreckt hatte.
    Bislang hatte ich mir nicht erlaubt, mich auf Heidis makabre Biografie zu konzentrieren, doch als Hunter jetzt schlief, musste ich unwillkürlich an ihre Geschichte denken. Es war entsetzlich, dass sie nach Nevada hatte zurückkehren müssen, solange ihr Sohn noch lebte. Inzwischen wirkte es sicher schon so, als wären sie und ihr Sohn Charlie Gleichaltrige. Was war aus dem Vater des Jungen geworden? Warum hatte ihr Schöpfer auf ihre Rückkehr bestanden? Als sie zur Vampirin gemacht wurde, hatten die Vampire sich Amerika und der Welt noch nicht offen gezeigt. Geheimhaltung war oberstes Gebot gewesen. Ich musste Heidi zustimmen. Das Outing hatte nicht alle Probleme der Vampire gelöst, sondern sogar noch ein paar neue geschaffen.
    Am liebsten hätte ich von dem traurigen Schicksal, das Heidi mit sich herumtrug, gar nicht erst erfahren. Weil ich aber das Produkt der Erziehung meiner Großmutter war, fühlte ich mich bei einem solchen Gedanken gleich schuldig. Sollten wir nicht stets bereit sein, uns die traurigen Geschichten anderer anzuhören? Sind wir nicht verpflichtet zuzuhören, wenn sie sie erzählen wollen? Ich hatte das Gefühl, dass ich mit Heidi jetzt aufgrund ihres Kummers verbunden war. Aber war das eine echte Verbindung? War irgendetwas Anziehendes an mir, das sie angesprochen, irgendetwas, das diese Geschichte aus ihr herausgelockt hatte? Oder erzählte sie jedem neuen Bekannten immer erst mal von ihrem Sohn? Das konnte ich kaum glauben. Vermutlich hatte Hunters Anwesenheit sie so vertrauensselig gemacht.
    Wenn Heidi sich auch weiterhin so sehr von den Problemen ihres Junkie-Sohns ablenken ließ, würde er eines Nachts Besuch von jemand höchst Skrupellosem bekommen, das wusste ich (auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte). Danach wäre sie dann wieder fähig, ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Wünsche ihres Arbeitgebers zu richten. Mich schauderte.
    Victor würde sicher keinen Augenblick zögern, so etwas

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