Vor Vampiren wird gewarnt
anzuknurren. Ein interessanter Anblick, so mit den geschminkten Augen und allem. Annabelle stand mit leicht abgewinkelten Armen da, bereit, sich jederzeit in irgendeine Richtung zu stürzen.
Alexej starrte ins Leere, was die Haltung zu sein schien, auf die er sich immer zurückzog, und Appius Livius wirkte einfach nur gelangweilt.
»Ich finde, wir sollten nachsehen, wer das überhaupt ist«, schlug Jason plötzlich vor.
Ich warf ihm einen zustimmenden Blick zu.
Und so gingen wir in den Wald hinaus, um eine Leiche auszugraben.
Kapitel 9
Alcide stieg in ein Paar Stiefel, die er im Pick-up hatte, und legte Krawatte und Mantel ab. Jannalynn zog klugerweise ihre hohen Sandaletten und Annabelle ihre moderateren Pumps aus. Ich gab ihnen beiden Sneakers von mir und Jannalynn auch ein altes T-Shirt, das sie davor schützen würde, im Wald mit ihrem glänzenden silbernen Kleid an allen Büschen und Zweigen hängen zu bleiben. Sie streifte es über den Kopf und sagte sogar »Danke«, auch wenn es nicht sonderlich dankbar klang. Ich holte zwei Schaufeln aus dem Schuppen. Alcide nahm eine, Eric die andere. Jason trug statt einer Taschenlampe eine dieser hell leuchtenden großen Laternen, die sie beim Straßenbau benutzten und die er deshalb immer im Pick-up hatte.
Die Laterne war vor allem für mich, denn Vampire können hervorragend sehen in der Dunkelheit und Werwölfe auch. Und da Jason ein Werpanther war, brauchte auch er eigentlich kein zusätzliches Licht. Ich war das blinde Huhn der Truppe.
»Wissen wir denn, wo wir suchen müssen?«, fragte Alcide.
»Heidi sagte, das Grab sei genau östlich vom Haus, auf einer Lichtung beim Fluss«, erzählte ich, und so stapften wir gen Osten. Ich rannte dauernd in irgendetwas hinein, und nach einer Weile gab Eric Jason seine Schaufel, bückte sich und nahm mich auf den Rücken. Jetzt musste ich nur noch den Kopf einziehen, damit mir nicht ständig Zweige ins Gesicht schlugen. Aber so kamen wir schneller voran.
»Ich wittere es«, sagte Jannalynn plötzlich. Sie war weit vor uns, so als wäre es ihre Aufgabe im Rudel, dem Leitwolf freie Bahn zu verschaffen. Hier draußen im Wald war sie eine andere Frau. Ich konnte zwar nicht besonders gut sehen, aber das sah ich. Flink, sicheren Schrittes und entschlussfreudig lief sie voraus, und nachdem sie noch ein Stück weiter vorgeprescht war, drehte sie sich nach uns um und rief: »Hier ist es!«
Als auch wir dort ankamen, stand sie auf einer kleinen Lichtung vor einem Erdhügel. Hier war vor Kurzem erst gegraben worden, allerdings hatte man versucht, die Anzeichen dafür zu kaschieren.
Eric ließ mich herunter, und ich stellte mich zu Jason, der mit der Laterne den Erdboden ableuchtete. »Es ist doch nicht...?«, murmelte ich, obwohl ich wusste, dass jeder mich verstehen konnte.
»Nein«, erwiderte Eric knapp. »Nicht hier.« Nicht Debbie Pelt. Sie lag woanders, in einem älteren Grab.
»Es gibt nur einen Weg, herauszufinden, wer es ist«, sagte Alcide. Jason und Alcide begannen zu graben, und da sie beide starke Männer waren, ging es relativ schnell. Alexej trat neben mich, und unwillkürlich schoss mir durch den Kopf, dass ein Grab im Wald schlimme Erinnerungen in ihm wecken musste. Ich legte ihm den Arm um die Schultern, als wäre er immer noch ein Mensch, auch wenn ich sah, dass Appius mir einen verächtlichen Blick zuwarf. Alexejs Augen waren auf die Grabenden geheftet, vor allem auf Jason. Mir war klar, dass dieser Junge das Grab mit seinen bloßen Händen genauso schnell freilegen könnte, wie die beiden schaufelten. Aber Alexej wirkte so zart, dass man sich ihn schwer als ebenso stark wie die anderen Vampire vorstellen konnte. Wie viele Menschen mochten genau diesen Fehler in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, fragte ich mich, und wie viele von ihnen waren durch Alexejs kleine Hände gestorben?
Die Erdklumpen flogen nur so um Jason und Alcide herum. Während sie schaufelten, strichen Annabelle und Jannalynn über die kleine Lichtung, wohl um alle Fährten aufzuspüren, die es aufzuspüren gab. Vielleicht war trotz des Regens vor zwei Nächten in den von Bäumen geschützten Bereichen noch etwas zu finden. Heidi hatte ja nicht nach einem Mörder gesucht, sondern nur versucht, herauszufinden, wer mein Land durchquert hatte. Die Einzigen, die nicht durch meinen Wald gestiefelt waren, dachte ich, waren ganz normale alte Menschen. Wenn die Werwölfe logen, könnte ein Werwolf der Mörder sein. Vielleicht war
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