Vor Vampiren wird gewarnt
es auch einer von den Elfen gewesen, die ein grausames Volk waren, wie ich selbst hatte erleben müssen. Oder war Bill der Mörder? Heidi hatte den Vampir, den sie wahrnahm, schließlich für meinen Nachbarn gehalten.
Ich hatte die Leiche, solange sie unter der Erde lag, im Gegensatz zu allen anderen nicht gerochen, weil mein Geruchssinn mit dem ihren nicht im Geringsten mithalten konnte. Aber als die herausgeschaufelten Erdhaufen größer und die Grube tiefer wurden, konnte auch ich riechen, dass da etwas war.
Ach, du meine Güte, was für ein Gestank!
Ich hielt mir die Nase zu, was aber überhaupt nichts nützte. Wie hielten die anderen das bloß aus, fragte ich mich, mit ihrem so viel stärker ausgeprägten Geruchssinn. Vielleicht waren sie auch pragmatischer oder einfach besser daran gewöhnt.
Dann hielten die beiden Grabenden inne. »Da liegt etwas Eingewickeltes«, sagte Jason. Alcide beugte sich darüber und zerrte an irgendwas am Boden der Grube herum.
»Ich hab's aufbekommen«, rief Alcide nach einem Moment.
»Gib mir mal die Laterne, Sookie«, bat Jason, und ich reichte sie ihm. Er leuchtete in die Grube hinein. »Den kenn ich nicht«, meinte er.
»Aber ich«, sagte Alcide mit seltsamer Stimme. Annabelle und Jannalynn standen augenblicklich am Rande des Grabes. Ich musste mich zwingen, einen Schritt vorzutreten und in die Grube hineinzuschauen.
Ich erkannte ihn sofort. Die drei Werwölfe warfen die Köpfe in den Nacken und heulten auf.
»Es ist der stellvertretende Leitwolf des Reißzahn-Rudels«, erklärte ich den Vampiren. Ich musste würgen, und es dauerte eine Weile, ehe ich weitersprechen konnte. »Basim al Saud.« Die kurze Zeit unter der Erde hatte ihn schon verunstaltet, aber ich erkannte ihn noch. Die Korkenzieherlocken, um die ich ihn so beneidet hatte, der muskulöse Körper.
»Scheiße!«, schrie Jannalynn, als das Geheul vorüber war.
Und das fasste es ganz gut zusammen.
Als die Werwölfe sich wieder beruhigt hatten, gab es eine Menge zu besprechen.
»Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet«, sagte ich. »Und da ging es ihm noch bestens. Danach ist er zu Alcide und Annabelle in den Pick-up gestiegen.«
»Er hat mir gesagt, was er auf Sookies Land gewittert hat, und ich habe ihm gesagt, er soll es ihr erzählen«, erklärte Alcide Eric. »Sie hatte ein Recht, es zu erfahren. Auf dem Weg zurück nach Shreveport haben wir über nichts Bestimmtes gesprochen, oder, Annabelle?«
»Nein«, bestätigte sie, und es war unverkennbar, dass sie weinte.
»Ich habe ihn an seinem Apartment abgesetzt. Und als ich ihn am nächsten Morgen anrief und fragte, ob er mich zu einem Treffen mit unserem Abgeordneten begleitet, hat er abgelehnt, weil er arbeiten musste. Er war Webdesigner und hatte eine Besprechung mit einem wichtigen Kunden. Es hat mir eigentlich nicht gepasst, dass er keine Zeit hatte, aber er musste natürlich seinen Lebensunterhalt verdienen.« Alcide zuckte die Achseln.
»Er musste an dem Tag nicht arbeiten«, sagte Annabelle.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
»Ich war in seinem Apartment, als du anriefst«, fuhr sie fort, und ich konnte hören, welche Mühe sie hatte, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Ich war schon einige Stunden dort.«
Wow. Unerwartete Enthüllungen. Jason sprang aus der Grube heraus, und wir beide sahen uns erstaunt in die Augen. Das war ja wie in einer von Grans Seifenopern, die sie mit fast religiösem Eifer im Fernsehen angeschaut hatte.
Alcide knurrte. Das rituelle Geheul für den Toten hatte den Wolf in ihm zum Vorschein gebracht.
»Ich weiß«, erwiderte Annabelle. »Wir reden später darüber. Ich werde die Strafe, die ich verdiene, auf mich nehmen. Aber Basims Tod ist wichtiger als mein Betrug. Es ist meine Pflicht, dir zu erzählen, was passiert ist. Vor deinem Anruf hatte Basim bereits einen anderen bekommen, und er wollte nicht, dass ich mitkriege, worum es geht. Doch ich verstand genug, um zu begreifen, dass er mit jemandem sprach, der ihn bezahlte.«
Alcides Knurren wurden lauter. Jannalynn stand dicht neben ihrer Rudelschwester, und ich kann es nicht anders ausdrücken: Sie hatte es auf Annabelle abgesehen. Leicht vorgebeugt stand sie da, die Arme ausgebreitet, als würden ihre Hände sich jeden Moment in Klauen verwandeln.
Alexej hatte sich dicht an Jason gedrängt, und als die Anspannung immer weiter wuchs, legte Jason dem Jungen den Arm um die Schultern. Jason hatte dasselbe Problem wie ich, Illusion und Realität
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