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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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sich in solchem Zustand befinde, sprach er doch, allerdings mühsam: ‹Der Schurke, der im Zimmer nebenan wohnte, machte sich mit mir bekannt und befreundete sich mit mir. Ich zeigte ihm Gold- und Silbermünzen, die mir die Kaiserin in Schönbrunn geschenkt hatte. Heute morgen kam dieser Schurke in mein Zimmer. Er wollte die Münzen noch einmal sehen und wollte wissen, wer ich bin. Ich sagte, daß ich kein Aufsehen machen und deshalb meinen Namen nicht wissen lassen wollte. Da warf er mir einen Strick um den Hals, um mich zu erwürgen. Ich wehrte mich, so gut ich konnte. Ich wollte um Hilfe rufen. Aber er versetzte mir mehrere Messerstiche und floh.›
    Der Sterbende wurde gefragt, ob er wisse, wer der Mann sei.
    Nach einer Pause, von Atemnot gequält, antwortete er: ‹Das wird der Gastwirt wissen.›
    Aufs neue befragt, wie er heiße, wie alt er sei, woher er stamme und welchen Beruf er habe, sagte er: ‹Laßt mich, ich kann nicht mehr. Aus meinem Paß werdet Ihr alles erfahren.›
    Der Paß war am 28. Mai 1768 unterzeichnet von Heinrich Gabriel Collembach in Wien und enthielt den Satz: ‹Für Johannes Winckelmann, Präfekt der Altertümer in Rom, der in die Heilige Stadt zurückkehrt.›
    Der Bargello, der das Zimmer verlassen hatte, trat nach kurzer Zeit wieder ein mit einem blutigen Strick in der Hand; er präsentierte ihn dem Gericht und sagte, diese Schlinge sei ihm von dem Kellner Andreas Harthaber übergeben worden mit der Bemerkung, es sei die Schlinge, die der Mörder dem Opfer um den Hals geworfen habe. Außerdem legte der Bargello dem Gericht ein blutiges Messer vor; er sagte, er habe es auf dem Tisch neben der Tür gefunden und habe gedacht, jemand von den Leuten, die sich im Zimmer drängten, habe es aufgehoben und auf den Tisch gelegt.
    Der Kellner Andreas Harthaber gab das Zimmer Nr.   9 als Zimmer des Mörders an.
    Das Kaiserlich-Königliche Gericht begab sich in das Zimmer Nr.   9. Es sah und beobachtete folgendes: Nahe dem Fenster stand ein Stuhl mit strohgeflochtenem Sitz. Auf dem Stuhl lagen ein Paar gebrauchte aschfarbene Lederhandschuhe; ein Paar schmutzige Strümpfe aus weißem Bombassin; zwei gebrauchte leinene Halskragen; ein schmutziges Leinenhemd mit Manschetten; ein Paar gebrauchte schwarzwollene Strümpfe; ein türkisfarbenes weißgeblümtes Tuch aus Bombassin; ein feines Leinentuch mit roten Streifen an den Rändern; eine Weste aus feiner weißer Leinwand mit Vorderschößen aus Marseiller Spitzen; schwarze geblümte Hosen aus Amiens, gebraucht und alt; ein alter Schoßrock aus weißlich geblümten Camelot mit Knöpfen aus weißem Metall, in dessen linker Tasche zwei verschlossene Briefe gefunden wurden, die mit roter Oblate gesiegelt waren.
    Unter diesen Sachen fand sich auch eine neue Messerscheide, innen aus Holz und außen mit schwarzem Leder besetzt. Eine Prüfung ergab, daß das blutige Messer aus dem Zimmer Nr.   10 hineinpaßte. Auf einem anderen Stuhl lag ein alter, schwarzer, dreispitziger Hut.
    Der Bargello wurde angewiesen, alle diese Sachen aufzunehmen und in die Kanzlei dieses Gerichts zu bringen.
    Dem Bargello wurde ferner aufgetragen, den Verbrecher zu verfolgen und in die Gewalt dieses Gerichts zu bringen sowie den Gastwirt und die übrigen Zeugen zu vernehmen.»
    Am frühen Nachmittag des gleichen Tages ging der Kriminalaktuar von Ehrenlieb erneut in die Osteria Grande und ging in das Zimmer Nr.   10. «In dem Zimmer befand sich der Hochwohlgeborene Herr Richter Johann Stanislaus von Kupfersein samt verschiedenen Leuten, unter ihnen der Chirurgus Benedikt Fleck und der Stadtchirurgus Antonio Albrici. Man wollte erkunden, ob es sich machen lasse, den Patienten bzw. Sterbenden zu vernehmen. Er lag noch immer auf einem völlig durchbluteten Lager, und die Chirurgen verneinten die Vernehmungsfähigkeit.
    Später, gegen vier Uhr am Nachmittag, erschien der Gerichtsdiener Biagio Dalmason im Gericht. Er berichtete diesem Gericht, daß eben jetzt das unglückliche Opfer aus der Osteria Grande zum besseren Leben übergegangen sei, nachdem er noch sein Testament habe machen können.
    Es wurde beschlossen, sogleich eine Wache zu der Leiche zu stellen. Zum Zwecke der gesetzmäßigen Ermittlung der Verwundungen wurden der Arzt und die Chirurgen beordert.»
    Am 9. Juni «begab sich nachmittags dieses Kaiserlich-Königliche Kriminalgericht zur Osteria Grande und in deren Zimmer Nr.   10, gemeinsam mit den sachverständigen Herren Ärzten und Physici Domenico Gobbi und

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