Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
hat seit der Reformation in den letzten Jahrhunderten mehrfach konvertiert. Heute ist der Ortspfarrer in Guttenberg evangelisch und wir sind seit einigen Generationen katholisch. Irgendwann hat die Gemeinde Guttenberg die Konversionen der Familie Guttenberg nicht mehr mitgemacht. Irgendwie nachvollziehbar.
|129| Sie sind noch Patronatsherr, haben also ein Mitspracherecht bei der Einsetzung des Pfarrers?
Wir sind Patronatsherr, ja, auch noch von einer anderen Kirche, die etwas weiter entfernt liegt. Wir unterstützen beide finanziell, und es war mir immer ein großes Anliegen, das auch beizubehalten.
Einige Tanten von Ihnen haben Theologie studiert.
Flächendeckend. Alle drei Schwestern meines Vaters haben Theologie studiert.
Inwiefern hat Sie der Katholizismus geprägt?
Ich habe eine ziemlich robuste Grundlage für eine andauernde tiefe inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Glauben.
Was heißt das?
Der Glaube berührt mich jetzt wieder sehr, aber ich kenne auch Zweifel.
Sie haben ein erwachsenes Verhältnis zum Glauben?
Ja. Obwohl es natürlich immer wieder in kindliche Romantik gleitet. Aber es gibt eben auch manche Punkte, die ich sehr kritisch sehe, wenn es um die Amtskirche geht. Ich denke da zum Beispiel daran, was Teile des Bodenpersonals Gottes so anstellen. Es war in unserem Haus üblich, sehr intensiv und manchmal lautstark über die Auswüchse der Katholischen Kirche zu diskutieren. Das hat uns Kinder schon geprägt. Aber ich bin sicher kein Agnostiker, es macht mir Freude, mich mit dem Glauben zu beschäftigen. Und ich freue mich, wenn andere tief glauben können, weil mir das eben ungemein schwer fällt. Was ich grauenvoll finde, ist ostentative Bigotterie.
|130| Wo sehen Sie diese Bigotterie?
Wenn die abgewetzten Kniescheiben mit dem Lebenswandel nicht in Einklang zu bringen sind. Wenn jemand also zum Beispiel Schwulen das Beten als Mittel gegen ihre sexuelle Orientierung empfiehlt, privat aber seine homoerotischen Neigungen auslebt, dann ist das nicht zu ertragen.
Finden Sie es schwierig, als Katholik Ihren Glauben angesichts der Verfehlungen der Amtskirche zu verteidigen?
Ich finde jedenfalls, dass man auch unabhängig von und trotz der mitunter berechtigten Kritik an der Kirche zum Glauben finden kann.
Haben Sie Papst Benedikt XVI. einmal kennengelernt?
Ja, wir haben ein paar Worte gewechselt. Ich fand zuletzt den ersten Band seines Jesus-Buchs hochinteressant, den zweiten habe ich noch nicht gelesen. Er ist zweifellos ein sehr kluger Mann – und mit der Gabe ausgestattet, auch hochkomplexe Dinge so schreiben zu können, dass sie einem breiten Publikum verständlich werden.
Welche Bedeutung hat die Beichte für Sie? Würden Sie sagen, dass das so etwas wie Psychoanalyse ist?
Dieser Deutung würde ich zumindest nicht widersprechen. Die Beichte hat ja erst mal etwas Erschreckendes. Ich kenne jedenfalls kein Kind, das vor seiner ersten Beichte keine Angst gehabt hätte. Aber ich kenne auch kaum eines, das hinterher nicht erleichtert und beglückt gewesen wäre. Wenn man das Glück hat, einen guten Seelsorger zu finden, dann kann einem das in gewissen Lebenssituationen schon sehr helfen.
|131| Was kennzeichnet für Sie heute aristokratisches Verhalten?
Jedenfalls nicht die Herkunft. Aristokratisches Verhalten wird nicht durch die Herkunft bestimmt, es folgt einem Grundmuster des Denkens, das jedem Menschen innewohnen kann. Dazu gehört zunächst einmal Prinzipienfestigkeit. Das sagt sich so einfach, aber eigentlich ist es eine kaum erreichbare Aufgabe, an der die meisten Menschen scheitern. Auch mir ist das, wie alle wissen, in einem Punkt passiert. Man muss sich deshalb ständig überprüfen, vor allem an seinen Prinzipien messen lassen und bei einem eventuellen Scheitern diese trotzdem weiter beherzigen. Außerdem sollte man, wenn man von etwas überzeugt ist und entsprechend handelt, Widerspruch zulassen und sich auf einen Diskurs einlassen. Wichtig ist auch, im Gegenüber immer den Menschen zu sehen. Das, was ich als aristokratisches Verhalten bezeichnen würde, hat also nichts mit dem Namen zu tun, den jemand trägt.
Finden Sie denn Beispiele für solches Verhalten außerhalb der Aristokratie?
Im Tagestakt. Eine Mutter, die sich um ihr behindertes Kind kümmert kann in diesem Sinne ebenso »aristokratisch« handeln wie ein Unternehmer, der seine Firma durch widrigste Umstände steuert, ohne dabei die Menschlichkeit außer Acht zu lassen. Ich mache diesen Begriff nicht an der
Weitere Kostenlose Bücher