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Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Titel: Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Lorello
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und eine Liste seiner zwanzig Lieblingswörter zusammenzustellen. Ich sollte eine Liste von sexy Songs erstellen und nackt vorm Spiegel tanzen. Ich fragte mich, wessen Aufgaben leichter seien. Als ich im stickig heißen Zug saß, dicht gedrängt zwischen gesichtslosen, grauhäutigen Pendlern, schloss ich die Augen und hörte den ganzen Heimweg über die Stimme von Etta James.

Kapitel sechs

ZWEITE WOCHE UNSERER VEREINBARUNG
    Ich tanzte die ganze Woche zu dem frühen Duran Duran, zu Janet Jackson und Robert Palmer, zu Etta James, Ella Fitzgerald und Ray Charles. Zu Jimi Hendrix, Joe Satriani und Stevie Ray Vaughn. In meinen abgeschnittenen Jeans und BH, in BH und Slip, im Badeanzug, dann ohne Oberteil und schließlich nackt. Bei Tag und bei Nacht. Immer vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer, auch wenn ich mich eines Spätnachmittags dabei erwischte, wie ich mein Spiegelbild im Schaufenster ansah. Ich beobachtete, wie sich meine Brüste bewegten, wie meine Arme Gesten in der Luft formten, wie meine Beine vorund zurücksprangen, rund und muskulös. Ich beobachtete, wie meine Füße im Rhythmus tanzten, wie meine Hüften vor- und zurückschwangen, wie meine Haare mir ins Gesicht fielen und sich in meinen Nacken legten. Ich sah mir jede Kurve, jede Strähne, jede Speckrolle, jeden Muskel an. Und Devin hatte recht: Ich verliebte mich in meinen Körper.
    Sie war exquisit. Ich hatte noch nie so eine Fülle gesehen, so viel Fruchtbarkeit in einem ein Meter zweiundsechzig kleinen Köper. Ich begann, sie im Geist mit einer Mischung aus konturierten Linien und skizzenhaft hingeworfenen Strichen nachzuvollziehen. Ich malte die Schatten in den Höhlungen, wo die Beine aufeinandertrafen, wo die Brüste sich aneinanderschmiegten und wie ein Wasserfall ergossen. Ich betonte ihre runden Schultern, die Feinheit ihrer Fingerspitzen, die Weichheit ihrer Wangenknochen. Jeden Tag posierte ich für diese Porträts, und in meinem Urteil über mich selbst verschwanden die hässlichen Spuren und die Schönheit erschien.
    Das war weit weg von der Hassbeziehung, die ich mit meinem Körper führte, seit ich im Alter von neun Jahren einesSommerabends vor Scham am liebsten in Grund und Boden versunken wäre. An dem Tag hatte ich Shorts, ein Kinderbikini-Oberteil und Sandalen von Dr. Scholl getragen, meine Haut schimmerte bronzen von all dem sorglosen Spielen unter freiem Himmel und dem Schwimmen in den Sommerferien. Ich betrat das Wohnzimmer, wo mein Bruder Joey Gitarre spielte.
    »Sieht das sexy aus?«, fragte ich ihn. Ich wünschte mir so sehr elegante Riemchensandaletten mit Keilabsatz, aber nie und nimmer hätte meine Mutter mir solche Schuhe gekauft.
    Er lachte nur. Mein Bruder lachte mich aus, und ich muss in dem Moment genauso idiotisch ausgesehen haben, wie ich mich fühlte.
    Als ich elf war, spielte ich nicht mehr draußen, sondern las drinnen – vor allem Romane über schüchterne Highschool-Heldinnen, die die Herzen der Kapitäne des Football-Teams gewannen. Heimlich schrieb ich auch Entwürfe für solche Geschichten. Mit fünfzehn aß ich Ring Dings. Mit achtzehn hatte ich mich dem Feind ergeben, als den ich meinen fetten Körper wahrnahm. Selbst wenn ich mich fündundzwanzig Pfund runterhungerte, spielte das keine Rolle mehr – der psychologische Kollateralschaden war bereits eingetreten. Und seit dieser Zeit pendelte mein Gewicht wie ein Jo-Jo alle drei bis vier Jahre genau um diese fünfundzwanzig Kilo. Seit meiner Trennung von Andrew war ich wieder ganz oben, und dazu kamen weitere fünf Pfund durch meine Spritztouren mit Maggie zum
Krispy Kreme Kiosk
im Studentenzentrum an der Uni.
    Als Devin und ich uns zum zweiten Mal trafen, fiel ihm gleich meine Veränderung auf.
    »Wow!«, rief er aus. »Sie haben geübt.«
    »Woran erkennen Sie das?«
    »Ihr Gang. Sie sind gerade sehr selbstbewusst hereingekommen. Als gehöre Ihnen dieser Raum.«
    Ich konnte ihm meine Begeisterung nicht vorenthalten. »Es war unglaublich, Devin. Ich habe meinen Körper noch nie so angenommen. Es ist so ein gutes Gefühl, mich im Spiegel anzusehen und das zu mögen, was ich sehe, auch wenn die
Cosmopolitan
mir erzählt, dass ich viel zu dick bin.«
    »Scheiß auf die
Cosmopolitan«
, sagte er. »Die Models werden sowieso alle nachbearbeitet. Sie sind real. Außerdem sehen Sie hinreißend aus.«
    Ich wurde rot und wandte mich ab, weil ich mein Lächeln vor ihm verstecken wollte. Es war so lange her, dass mich jemand
hinreißend
genannt

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