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Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Titel: Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Lorello
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Schwachsinn? Ich glaube nicht. Alle Frauen sind schön, Andi. Und ich habe meinen Ruf nicht, weil ich meine Klientinnen belüge. Die Frauen kommen wieder, weil ich ihnen die Wahrheit sage.«
    »
Alle
Frauen?«, wollte ich wissen. »Also, machen Sie mal halblang! Einschränkungen mal ausgenommen, aber Sie sind ein moderner Sophist. Sie sagen Ihnen die Wahrheit, aber diese Wahrheit ist in Worte verpackt wie
üppig
und
Rubens
und
Kurven
. Das ist so, als wenn man sich Süßstoff in seinen Kaffee tut, nachdem man gerade einen fetten Cheeseburger mit Fritten verdrückt hat – wo ist der Unterschied?«
    »Also, erstens weiß ich nicht, was ein Sophist ist«, sagte er. »Und zweitens: Was würden Sie lieber hören, dass Sie kurvig und sinnlich sind oder dass Sie nicht fetter sind als alle Frauen, die ich kenne, Ihre Brüste aber größer als die der meisten anderen? Wahrheit ist relativ, oder etwa nicht? Außerdem haben Sie mir eben gerade in Ihrer ersten Lektion klargemacht, dass es auch auf die Wortwahl ankommt, wenn man seine Leser fesseln will.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. Er lernte verdammt schnell.
    »Es ist alles eine Frage der Wahrnehmung. Sehen Sie …« Er hob das Polster eines Hockers hoch, zog einen Kunstbandheraus und schlug ein Bild von Rubens auf. »Sehen Sie hier eine dicke Frau? Ich nicht. Diese Maler haben den weiblichen Körper als Inbegriff des menschlichen Lebens angesehen. Ihr Fleisch nährte Leben, ihre Kurven bejahten das Leben. Und Maler haben das in all seiner Schönheit festgehalten.«
    Ich blätterte das Buch langsam durch und sah mir alle irdischen und himmlischen Figuren an, vor allem die, die meiner eigenen ähnelten. Warum kamen mir diese Körper so umwerfend vor und meiner so verkümmert?
    »Gehen Sie noch mal zum Spiegel«, forderte Devin mich auf. »Und sehen Sie noch einmal hinein, und dann benennen Sie
irgendetwas
, was Ihnen an Ihrem Körper gefällt.«
    Ich stellte mich wieder vor den Spiegel und sah skeptisch hinein, starrte mein Spiegelbild an, während ich dem Rhythmus des Songs bei seiner zweiten Wiederholung zuhörte. Ich sah alle meine Körperteile an.
    »Ich mag meine Augen.«
    »Ich auch. Was noch?«, fragte er hinter mir. Ich machte eine Pause und sah wieder in den Spiegel. »Sehen Sie
Ihren Körper
an.«
    »Dass sich mein Speck gleichmäßig verteilt«, sagte ich. »Es ist ja nicht so, als ob ich Minititten hätte und einen dicken Bauch oder einen Arsch, der dreimal so breit wie meine Taille ist.«
    Er nickte und sah weiter in den Spiegel.
    »Außerdem mag ich meine Beine«, fügte ich hinzu. »Sie sind muskulös.«
    Dann fiel mir ein, wie mir Andrew immer Komplimente für meine Beine gemacht hatte. Meine Beine und mein Gesicht – alles dazwischen existierte für ihn nicht, nahm ich mal an. Aber andererseits hatte ich das auch alles ganz schön bedeckt gehalten.
    Devins Hand auf meiner Hüfte, der versuchte, mich zur Musik zu bewegen, riss mich aus meinen Gedanken.
    »
Hihi!
Ich hab vergessen zu sagen, dass ich unglaublich kitzelig bin.«
    Er machte einen Schritt rückwärts. »Ach, wie süß. Das finde ich wirklich süß. Wir werden das noch irgendwie nutzen. Aber bis dahin: Fangen Sie mal an zu tanzen!«
    Devin ließ mich vorm Spiegel tanzen, ich sollte mich im Rhythmus der Musik bewegen. »Erspüren Sie die Worte«, sagte er immer wieder. »Sehen Sie sich nicht einfach als halb nackte Tanzende. Sehen Sie sich mit Ihren üppigen Kurven.«
    Die Träger meines BHs glitten mir immer wieder von den Schultern und meine bloßen Füße schienen am Boden angewachsen zu sein. Ein paarmal wäre ich fast hingefallen. Aber als I
Just Wanna Make Love to You
zum fünften Mal erklang, hatte ich ihn komplett vergessen. Ich sah mir selbst dabei zu, wie ich die Hüften schwang und die Knie beugte und meine Brust herausdrückte, wie ich die Arme über den Kopf hob und mich verführerisch auf mein Spiegelbild zubewegte, als sei es mein Liebhaber. Mir kam es gar nicht in den Sinn, mich zu fragen, ob ihn das anmachte.
    Schließlich stoppte er die CD.
    »Gut. Ihre Hausaufgaben für diese Woche bestehen darin, sich in Ihren Körper zu verlieben. Sie sollen sich zu ihm hingezogen fühlen. Und außerdem: Tanzen Sie, denn nächste Woche werden Sie für
mich
tanzen – nicht für den Spiegel –, und Sie werden sich weiter ausziehen.«
    Ich merkte mir, an passende Unterwäsche zu denken.
    Devins Hausaufgaben waren: eine Abhandlung zu entwerfen, einen Essay von Patricia Hampl zu lesen

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