Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
mir schien.
»Erzähl mir von deiner Familie«, sagte Devin. »Wie war es für dich, auf der Insel aufzuwachsen? Du bist zurückgekommen, also muss es dir ja gefallen haben.«
Ich trank mein Ginger Ale und hustete. »Ja, ich glaube schon, dass es mir dort gefallen hat. Ich hatte ja auch keinen Vergleich, bis ich weggezogen bin. Ich hab es immer gemocht, am Ozean zu leben – ich bin gerne
am
Meer, aber nicht
darauf
. Ich werde leicht seekrank.«
»Gehst du gerne schwimmen?«
»Das hängt von der Strömung ab. Als Kind bin ich einmal fast abgetrieben. Zum Glück war mein älterer Bruder in der Nähe, er hat mich rausgezogen.«
»Du siehst zu deinen Brüdern auf, stimmt’s?«
Ich nickte. »Sie haben sich immer um mich gekümmert. Schon bevor mein Vater gestorben ist. Sie haben mir vorgelesen und mich mitgenommen, wenn sie mit ihren Freundinnen an den Jones Beach gegangen sind. Ich durfte sogar helfen, wenn sie ihre Songs einspielten. Wir hatten ein Studio im Keller, und ich hörte ihnen stundenlang zu. Ich richtete die Mikrofone aus, wenn sie nicht zu hoch waren, oder bediente die Aufnahmeund Stopptasten.«
»Warum hast du eigentlich nie ein Instrument gelernt?«
Weil ich darin nicht gut war
, sagte eine Stimme in meinem Kopf. »Ich hab versucht zu trommeln, als ich klein war, und sie haben mir natürlich beide Gitarrenunterricht gegeben. Aber ich hatte nicht genug Geduld. Und sie hatten so viel Talent. Nicht dass ich komplett taub wäre oder so. Wahrscheinlich höre ich Musik, wie du dir ein Kunstwerk ansiehst. Ich höre all die Nuancen der Komposition.«
»Gut gesagt«, meinte er.
»Wahrscheinlich ist das auch meine Sicht aufs Schreiben. Das war schon immer mein Ding, von Anfang an. Und Unterrichten, nehme ich an. Meine Brüder sind jedenfalls grässliche Lehrer.«
»Du bist eine sehr gute Lehrerin«, sagte er ernst.
»Und du bist ein guter Lehrer.«
»Was schreibst du denn eigentlich?«
»Vor allem biografische Skizzen, persönliche Essays. Von der Art, was du jetzt schreibst und worüber wir diese Texte lesen.«
»Ich würd’s gerne mal lesen.«
»Mein Zeug?«, fragte ich ziemlich bestürzt.
»Klar, warum nicht?«
»Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich es jemandem gezeigt habe«, sagte ich.
Du meinst, seit du es einem Typ gezeigt hast, einem Typ wie …
»Ich wette, es ist gut.«
»Vielleicht«, sagte ich. »Vielleicht findest du es auch matschig.«
Er lachte.
Ein schöner Abend. So natürlich.
Unser Essen kam.
»Erzähl mir was von
deiner
Familie und
deinen
Erfahrungen auf der Insel«, sagte ich und wickelte Spaghetti auf dem Löffel um die Gabel. »Hast du Geschwister?«
»Zwei Schwestern«, sagte er, bevor er von seiner Pasta probierte. »Mmmm, köstlich.« Als er runtergeschluckt hatte, fuhr er fort. »Ich bin der Mittlere. Sie leben beide noch auf der Insel. Eine ist eine Fußballmutter, die andere Verwaltungsassistentin in irgendeiner Firma. Wir haben kein besonders enges Verhältnis. Mein Dad …,« er brach ab. »Mein Dad hält nicht besonders viel von mir.«
Das wusste ich schon aus seiner biografischen Skizze.
»Das tut mir leid. Vielleicht hilft es dir, wenn ich dir sage, dass es mir mit meiner Mutter auch nicht anders geht.«
»Warum sollten wir dann so ein gutes Essen auf sie verschwenden?«, fragte er und hielt sein Weinglas hoch. Ich tat dasselbe. »Prost«, sagte er.
»Auf das Schöne«, sagte ich und sah ihn direkt an. Erst in der allerletzten Nanosekunde schlug ich die Augen nieder.
»Ja, genau.«
Wir stießen an und tranken. Devin machte eine Pause, bevor er weitersprach, als hätte ihn der Moment wirklich berührt.
»Was das Leben auf der Insel angeht, ich war ein normaler Junge, ich war immer mit meinen Kumpels auf den Rädern unterwegs. Einmal wurde ich verwarnt, weil ich in der Jungenstoilette geraucht hatte. Und meine Schallplatten hab ich bei
Record World
gekauft.«
»Und du hast dir Kunstbände angesehen und bist ins Museum gegangen. Klar, total normal.«
»Und du hast deine Nase in jedes Buch gesteckt, wette ich«, gab er mit einem verschmitzten Lächeln zurück.
»Mehr oder weniger, ich hatte so meine Phasen.«
»Aber du hast doch wohl keine Boy-George-Poster aufgehängt, oder?«
»Simon LeBon«, antwortete ich.
»Der war cool.«
»Und du?«
»Charlie’s Angels.«
Ich verdrehte die Augen. Natürlich. »Nicht Janet Jackson oder Debbie Gibson?«
»Debbie Gibson war viel zu jung für mich. Mit Janets Musik konnte ich nichts
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