Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
anfangen.«
Tja, und wie kam es dazu, dass dieser normale Junge nun Frauen seine sexuellen Dienste anbot? Und davon lebte? Das wollte ich ihn eigentlich fragen. An welchem Punkt hatte er entschieden, dass das ein guter Karriereschritt wäre? Das hatte er doch kaum mit seinem Berufsberater in der Schule abgesprochen. Oder in einer Broschüre gelesen. Dafür gab es doch keine Anwerbetage. Aber ich fragte ihn nicht danach. Stattdessen nahm ich ihn in die Mangel: Welche Musik er mochte, zu welcher Highschool er gegangen war, warum er lieber in New York als in den Vorstädten lebte.
Die Zeit verging wie im Flug, und irgendwann sah ich uns beide von außen. Wir waren so unbefangen, lachten und erzählten uns Geschichten aus Long Island, aus der Zeit, bevor ich nach Massachusetts gezogen war. Als ich über meinem ersten Besuch in Boston sprach, wie ich mich auf der Suche nach der
Cheers Bar
verlaufen hatte, wie mich meine Brüder besucht hatten und darauf bestanden, dass wir ins
Samuel Adams Pub
pilgerten (das war deren
Junior’s
– ich saß bei meinem Wasser, als sie Biere durchprobierten wie bei einer Weinverkostung), spürte ich einen Stich Heimweh nach Boston und seiner Geschichte,seinen Akzenten und seiner unregelmäßigen Straßenführung. Devin hörte mir sehr aufmerksam und interessiert zu, war ganz bei der Sache. Es war, als wären wir allein im Restaurant. Als hätten wir ein Rendezvous.
Die Rechnung übernahm Devin.
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte er.
»Aber Devin …«
»Ich hab dich eingeladen.«
»Danke«, sagte ich immer noch nicht ganz überzeugt. Was hatte diese Geste zu bedeuten?
Ich bin ein netter Typ, es war meine Idee, also bezahle ich jetzt auch
. Oder:
Dies ist ein Rendezvous, ich bin der Gentleman, also zahle ich auch
.
Als wir nach dem Essen vor dem Restaurant auf dem Bürgersteig standen, hatte die Dämmerung gerade eingesetzt.
Er sah sich um, dann fragte er mich: »Hast du Lust auf einen Film?«
Das brachte mich komplett durcheinander. Was wurde hier eigentlich gespielt? Hatte er Angst, nach Hause zu gehen? Und warum musste er eigentlich nicht arbeiten? Er war doch immer ausgebucht. Aber ich brachte es nicht über mich, ihn damit zu konfrontieren. Wenn ich ihn an den Vertrag erinnerte, hieß das, dass wir unsere nächsten Treffen vergessen konnten, und das wollte ich nicht. Außerdem hätte er mich für meine bisherigen Leistungen bezahlen müssen, und ich hatte, ehrlich gesagt, gar keinen Clou, wie ich das in Rechnung stellen konnte. Vielleicht würde er sich ja auch weigern oder darauf bestehen, dass ich ihn bezahlte (was unglaublich teuer werden würde), weil ich ja schließlich eingewilligt hatte, ihn zu treffen. (Ich sah uns schon vor dem alten Fernsehgericht mit Richter Wapner und dem Gerichtsdiener Rusty, wie wir versuchten, den Vertrag zu erklären: »Wissen Sie, Euer Ehren, wir hatten da so eine Vereinbarung …«)
Vielleicht war dies ja auch gar kein Rendezvous, sondern einfach nur ein unschuldiges Treffen unter Freunden, um esmal so zu sagen. Oder, vielleicht noch beängstigender, es war ein Rendezvous. Was, wenn er mich küsste? Was, wenn er mit mir schlafen wollte? Wäre das dann ein Teil unserer Vereinbarung? Dann würde er wohl den eigentlichen Grund herausfinden, warum ich Unterweisung brauchte.
Also sagte ich lieber nichts.
»Es wird langsam spät. Ich sollte zurück auf die Insel. Ich muss morgen arbeiten.«
»Du kannst immer bei mir übernachten – auf der Couch, meine ich.«
Mir war, als hätte ich einen Tritt in den Magen bekommen. Ich konnte mir niemanden schlafend auf Devins Couch vorstellen. Darauf zu sitzen war eine Sache, aber darauf zu schlafen? Das Möbelstück würde protestieren und mit einer einstweiligen Verfügung dagegen vorgehen. Sogar es eine Couch zu nennen, war schon eine Beleidigung.
»Trotzdem vielen Dank. Es war wirklich schön. Ich habe so etwas schon lange nicht mehr in der Stadt gemacht.«
Er fuhr in der U-Bahn bis zur Penn Station mit mir und bot mir sogar an, mich in der Long Island Railroad zu begleiten, um sicherzugehen, dass ich gut nach Hause kommen würde.
»Ich komme schon klar«, sagte ich. »Wirklich, vielen Dank.«
»Okay, Andi. Bis bald.«
Ich wartete auf einen Kuss, eine Umarmung … auf irgendwas. Ich hatte gesehen, wie er die Verlagsvertreterin Allison auf die Wange geküsst hatte. Aber jetzt? Hier? Nichts. Nicht einmal ein Händedruck.
Ich fuhr nach Hause, starrte an meinem Spiegelbild vorbei ins
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