Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
sagte nichts.
Zur Hölle, ja.
Am folgenden Dienstag rief Devin an, um sich zu erkundigen, ob wir uns erst um halb acht treffen könnten.
»Was, hast du heute Abend keine Klientin?«, fragte ich ihn.
»Ich hab ihr abgesagt.«
»Warum?«
»Ich möchte dir die kultivierten Freuden eines Rendezvous in der Badewanne nahebringen.«
»Du nimmst mich auf den Arm.«
»Nein, ich meine es ernst.«
Ich war baff.
»Und das geht um zwei Uhr nachmittags nicht?«, fragte ich.
»Am Tag ist es nicht dasselbe. Man braucht die richtige Atmosphäre – Kerzen und so.«
Ich willigte ein, mich später mit ihm zu treffen, und rief Maggie in der Sekunde an, in der ich aufgelegt hatte.
»Kannst du dir vorstellen, dass er deswegen einer Klientin abgesagt hat? Wie viel Geld ihn das kostet!«
»Offensichtlich will er lieber mit dir zusammen sein«, sagte sie. Mein Herz machte einen Satz, auch wenn ich nicht so recht daran glauben konnte.
»Sein Partner ist bestimmt sauer auf ihn«, sagte ich.
»Wahrscheinlich hat er für Ersatz gesorgt. Er ist schließlich kein normaler Callboy.«
»Was mir gerade einfällt: Sollte ich vielleicht einen Badeanzug mitnehmen?«
»Warum denn das?«
»Na ja, entweder ich ziehe den Badeanzug an oder ich bin nackt.«
»Ich dachte, darum geht es?«
»Wahrscheinlich. Worauf hab ich mich bloß eingelassen, Mags?« Das fragte ich sie mindestens einmal die Woche, seit ich mich regelmäßig mit Devin traf.
»Nimm Wechselwäsche mit, für alle Fälle.«
»Für welche Fälle?«
»O Mann, dass du das auch noch fragen musst!«, sagte Maggie lachend. Mein Gesicht brannte, und ich beendete unser Gespräch abrupt.
Ich tauchte in Jeans, einem hellblauen Tanktop und FlipFlops bei ihm auf, aber ohne Wechselwäsche. Meine Haare waren ziemlich gewachsen, sie waren fast schon lang genug für einen Pferdeschwanz. Sie wellten sich, und ich hielt sie mit einem Stirnband aus dem Gesicht. Devin sah in seiner üblichen Jeans und einem ausgebleichten
U2-Elevation
-Tournee-T-Shirt entspannt aus. Er war barfuß und solariumgebräunt, die braunen Haare trug er wie immer perfekt frisiert mit ein paar orange-blonden Strähnen im Pony.
Während meines Teils führte ich die Konzepte des Argumentierens und der klassischen Rhetorik ein. Wir diskutierten
Phaedrus
, Platos Antwort auf die Sophisten, und seine Abhandlung über provisorische versus absolute Wahrheit, die Devin jedoch verwirrte.
Ich erklärte es ihm so: »Die Sophisten waren eher die Gastgeber der Talkshows, die Fernsehprediger und Motivations-Coaches ihrer Zeit. Die Stephen Colberts. Redner, die man anheuern konnte. Mit ihrer großspurigen Art, Massen zu bewegen und sogar zu verzücken, erhielten sie den Status von Rockstars.«
»Hört sich nach guten Auftritten an.«
»Fand Plato nicht. Er meinte, dass Sophisterei nicht höher stehe als Kochkunst und dass Rhetorik nicht so sehr der Wahrheitssuche diene als vielmehr der Überredung.«
»Als du mich also einen modernen Sophisten genannt hast, war das gar kein Kompliment?«
Ich wollte etwas sagen, ließ es dann aber lieber bleiben. Was für ein verflucht gutes Gedächtnis er hatte!
»Aber jetzt kommt’s«, sagte ich, seinen Kommentar ignorierend. »Wenn du den Text genau liest, merkst du, dass Plato die Leser
belehrt
, und dabei nutzt er Metaphern und stilistische Mittel der Rhetorik.«
»Na und?«
»Na und?«, entgegnete ich. »Ist dir denn nicht klar, dass ich genau denselben Kram heute noch unterrichte? Metaphern. Rhetorik als Mittel der Kommunikation und Überzeugung. Er hat Typen wie Aristoteles den Weg freigeräumt, der das Ganze dann systematisierte, mitsamt den unterschiedlichen Schreibformen und all dem.«
»Und die Wahrheit?«, fragte er.
»Was ist mit der Wahrheit?«
»Ist Rhetorik ein Mittel, das der Wahrheit dient oder nicht?«
»Plato war nicht der Ansicht«, erklärte ich. »Für ihn stand sophistische Rhetorik der Suche nach der absoluten Wahrheit sogar im Weg. Ich unterrichte es heute anders. Ich sage, dass die Sprache ein Weg ist, um Bedeutung zu erschaffen, um Wahrheit in vielen Formen auszudrücken. Plato wollte Rhetorik analytischund dialektisch nutzen. Lies es noch einmal durch, dann wird dir die Dialektik zwischen Sokrates und Plato auffallen.«
Er runzelte die Stirn. »Danke, ich bin satt«, sagte er mit aufgesetzter Höflichkeit. Man hätte meinen können, ich wollte ihm eine zweite Portion Leber auftun.
Nun sollte er ein Warhol-Gemälde ohne all die Worte beschreiben, die man
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