nicht? Ich wette, Du siehst heiß aus in Bluejeans und einem schwarzen T-Shirt. Da stehe ich einfach drauf …
An:
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[email protected] Betreff: Schulfotograf
und ich stehe auf italienischstämmige New Yorker Professorinnen, die auf Traditionalisten herumhacken …
Woran ich mich erinnere, wenn der Schulfotograf kam, waren die Kämme. Wir sollten uns mit ihnen beschäftigen, bis wir an der Reihe waren, und wahrscheinlich waren sie vor allem für die Jungs mit ominösen Wirbeln gedacht. Wahrscheinlich sollten sie auch eine Belohnung sein, damit wir uns vernünftig benahmen und nicht schielten, wenn der Auslöser gedrückt wurde, oder Dennis Kemper vom Stuhl schubsten. Aber wir schlugen den Mädchen mit den Kämmen auf die Ärsche. Oder wir versuchten, mit den Zähnen die Zinken herauszubrechen, machten Musik auf ihnen, spielten auf den Tischen Hockey mit ihnen oder nutzten sie zur Markierung der Tore beim Fingerfußball. Richtig gemein war aber, als Petey Lowenstein, der immer alle herumkommandiert hat, den Kamm ganz tief in seinen Krautsalat getunkt hat, besagten Dennis Kemper während der Pause in die Ecke gedrängt und ihm die Haare damit gekämmt hat.
Aber nun komme ich vom Thema ab. Zieh Deine Bluejeans an, sooft Du willst. Aber ich würde Dich auch gerne mal in einem Kleid sehen. Vorzugsweise in einem kurzen.
Sam
P. S. Wann kommst Du mich besuchen?
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[email protected] Betreff: Re: Schulfotograf
Hey, Sam (oder sollte ich Dich Armani nennen?),
Ich habe ein kleines Rotes, das dir gefallen könnte, und solange Du mich nicht zwingst, es zur Kirche anzuziehen …
Ich frage mich, ob ich Dich verfluchen sollte, weil Du die absichtlich verdrängten Erinnerungen an die Kämme wiederbelebt hast. Die Zinken der Kämme standen immer so eng, dass sie nicht durch meine Haare gingen – dafür habe ich meine Barbie damit gekämmt. Und wo wir schon dabei sind: Solltest Du mir jemals mit einem Kamm auf den Arsch hauen, dann kämme ich Dir Schmelzkäse in die Haare.
Andi, der
Modefreak
.
P.S. Morgen.
Ich war total verknallt in Sam.
Wir schrieben uns nicht nur fast täglich E-Mails, wir telefonierten auch ungefähr dreimal die Woche und schrieben uns ab und zu eine SMS, auch wenn wir beide die üblichen Abkürzungen nicht ausstehen konnten. In der Zeit, die wir brauchten um ganze Sätze per SMS zu verschicken, hätten wir uns auch anrufen, uns kurz unterhalten oder auf den Anrufbeantworter sprechen können. Sam plauderte nicht so viel wie Devin, aber er erzählte gerne längere Geschichten, er war nicht so pedantisch und entspannter. Er war ein echter Memoirenschreiber und erzählte mir ausführlich, wie es war, in Wayland, Massachusetts, mit seinem Bruder aufzuwachsen, wie er nach der Uni einen Sommer in Europa verbracht hatte und von einer Skitour nach Vermont, als er dreißig war, bei der er sich das Bein gebrochen hatte, und dass er seitdem nicht mehr auf der Piste gewesen war.
Sam hatte auch keine Hemmungen, mir zu erzählen, wie er mich fand. Seine tägliche Frage: »Wann kommst du mich besuchen?«, die er mir entweder in einer E-Mail oder am Telefon stellte, war eher spielerisch gemeint als drängend. Alle unsere Unterhaltungen, auch die schriftlichen, kamen auf den Punkt, machten Spaß und hatten einen flirtenden Unterton. Auch wenn ich nichts von Fernbeziehungen hielt, spürteich eine neue Freiheit. Ich war längst nicht so reserviert und empfand nicht das Unbehagen, das ich von der frühen Phase einer Beziehung gewohnt war. Und trotz der räumlichen Entfernung warben wir umeinander. Wenn unsere Verabredungen auch meistens daraus bestanden, dass wir in unseren jeweiligen Lieblingscafés saßen und uns anriefen. Wir versuchten es mit anderen Verabredungen, aber sie scheiterten. Einmal liehen wir beide dieselbe DVD aus und versuchten, sie gleichzeitig anzusehen, während wir miteinander telefonierten, aber wir quatschten die ganze Zeit und verpassten den Film. Auch ein Versuch, denselben Roman von Richard Russo zeitgleich zu lesen, scheiterte an unseren akademischen Verpflichtungen.
Die Wochen vergingen. An der Uni hatte sich alles eingespielt. Ich bemerkte, dass ich mehr über Sam und weniger über Devin nachdachte. Und doch, immer wenn Devin anrief (oder bei den seltenen Gelegenheiten, in denen wir es schafften, uns auf einen Kaffee oder zu einem Film zu treffen), hatte ich Schmetterlinge im Bauch, obwohl wir inzwischen alte Freunde