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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Stufe stellte.
    »Wie schön, so viele altvertraute Gesichter wiederzusehen – und die neuen natürlich auch«, sagte er. »Unter Letzteren ist Tom Christie, unser Regieassistent …«
    Er machte eine Pause und legte die Hand auf die Schulter eines Mannes mit lockigem Haar, der sich neben ihn gestellt hatte.
    »… der dafür sorgen wird, dass keinem von euch der Hosenstall offen steht und keiner gegen eine geschlossene Tür rennt.«
    Ein kurzes, höfliches Lachen war zu vernehmen.
    »Die meisten von euch dürften inzwischen wissen, dass wir unsere Arbeit unter gewissen ungünstigen Umständen aufnehmen müssen. Pat McNulty hatte einen Unfall, und obwohl man mir versichert hat, dass er bald wieder auf dem Damm sein dürfte, müssen wir bis auf Weiteres ohne seine segensreiche Bemutterung auskommen. Ben Latshaw übernimmt fürs Erste die Technik, und ich bin sicher, ihr werdet ihm mit der gebotenen Zuvorkommenheit begegnen.«
    Ich konnte nicht erkennen, wohin die sich drehenden Köpfe schauten.
    »Eigentlich wollte ich gleich eine Leseprobe der ersten Szene mit Miss Wyvern und Mr Duncan durchführen, aber da Mr Duncan noch nicht hier ist, nehmen wir stattdessen Szene vierundvierzig mit dem Hausmädchen und dem Postboten. Wo sind das Mädchen und der Postbote? Ah! Jeannette und Clifford – sehr schön. Geht zu Miss Trodd, und dann treffen wir uns oben, sobald wir hier unten fertig sind.«
    Jeannette und Clifford gingen quer durch die Halle zu der hornbebrillten Marion, die ein Klemmbrett hochhielt und die beiden durch das Gedränge geleitete.
    Marion Trodd hieß sie also.
    »Val, mein Schatz! Tut mir leid, dass ich zu spät bin.«
    Die Worte schallten wie eine kristallene Trompete und brachen sich an der polierten Holzvertäfelung.
    Alle Blicke richteten sich auf Phyllis Wyvern, die ihren Auftritt über die Westtreppe zelebrierte. Er war auch wirklich sehenswert, denn sie hatte sich in das Kostüm einer mexikanischen Tänzerin geworfen, mit Rüschenbluse und einem Rock, der aussah wie ein Karussellbaldachin in einem Seebad.
    Fehlte nur noch die Banane in ihrem Haar.
    Vereinzelter Applaus ertönte, und jemand pfiff tatsächlich durch die Finger, woraufhin Phyllis tat, als würde sie erröten und müsste ihren erhitzten Wangen Luft zufächeln.
    In diesen kurzen Ärmeln muss sie doch frieren, dachte ich. Aber vielleicht hatte sie die Arbeit im heißen Scheinwerferlicht gegen den englischen Winter immun gemacht.
    Sie blieb nur einmal kurz stehen, um unvermittelt mit den Schultern zu zucken und das Kinn in Richtung Obergeschoss zu recken.
    »Die arme, liebe Bun«, sagte sie mit tiefernster, weithin tragender Stimme. »Ich habe versucht, ihr ein wenig Suppe einzuflößen, aber sie konnte nichts bei sich behalten. Jetzt habe ich ihr etwas zum Schlafen gegeben.«
    Am Fuß der Treppe angekommen, schwebte sie durch die Halle, nahm Val Lampman an den Unterarmen, als wollte sie ihn davon abhalten, sie anzufassen, und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
    Sogar von meinem Hochsitz aus konnte ich sehen, dass sie ihn meilenweit verfehlte. War sie sauer, weil er ihr die Schau gestohlen hatte?
    Während die beiden noch auf Armeslänge Abstand voneinander hielten, ging die Haustür auf, und Desmond Duncan kam herein.
    »Entschuldigt mich bitte«, sagte er mit seiner weltberühmten Stimme. »Die letzte Matinee des Wintermusical-Spektakels. Eine Sondervorstellung bei Hofe. Ich konnte mich beim besten Willen nicht früher verdrücken.«
    Er war in einen schweren Pelzmantel gehüllt – Büffel oder Yak, fiel mir dazu ein. Auf dem Kopf trug er einen Schlapphut mit breiter Krempe, wie ihn Künstler auf dem Festland gerne trugen.
    »Ted!«, rief er aus und klopfte einem der Elektriker auf die Schulter. »Wie geht’s deiner Frau? Sammelt sie immer noch Streichholzschachteln? Ich hätte da eine, die sie vielleicht interessieren könnte – direkt aus dem Hotel Savoy.«
    Er grinste. »Es fehlen nur zwei Hölzchen«, fügte er mit pantomimisch übertriebenem Zwinkern hinzu.
    Ich hatte Desmond Duncan in einem Film gesehen, dessen Titel mir nicht mehr einfiel. Der Film handelte von einem kleinen Mädchen, das einen gescheiterten Anwalt engagiert, um ihre Eltern, die sich auseinandergelebt haben, dazu zu zwingen, sich wieder zu versöhnen. Außerdem hatte ich Fotos von ihm in einer der Film-Zeitschriften gesehen, die Daffy ganz unten in ihrer Unterwäscheschublade versteckte.
    Er hatte eine ausgeprägte Adlernase und ein vorspringendes Kinn,

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