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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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was ihm ein überaus zackiges Profil verlieh, ein Profil, das vermutlich jeder Mensch zwischen Grönland und Neuguinea sofort erkannte.
    Ein Keuchen hinter und über mir veranlasste mich dazu, mich umzudrehen und nach oben zu schauen. Ich hätte es wissen müssen! Daffy und Feely spähten durch das Geländer. Offenbar lagen sie bäuchlings auf dem Treppenabsatz.
    Feely machte mir mit unmissverständlichen Gesten klar, dass ich sie nicht verraten sollte, indem ich sie so auffällig anstarrte.
    Ich lief die Treppe hoch und legte mich neben meine Schwestern. Daffy wollte mich zwicken, aber ich rollte mich weg.
    »Mach das noch einmal, dann rufe ich deinen Namen und deine BH-Größe so laut, dass es alle hören«, zischte ich. Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu. Daffy hatte sich in dieser Hinsicht erst in letzter Zeit entwickelt und genierte sich, irgendwelche Einzelheiten herumzuposaunen.
    »Wahnsinn!«, flüsterte Feely. »Phyllis Wyvern und Desmond Duncan! Hier bei uns! Auf Buckshaw!«
    Ich spähte gerade noch rechtzeitig durch das Geländer, um zu sehen, dass die Fingerspitzen der beiden sich berührten – wie bei Gott und Adam an der Decke der Sixtinischen Kapelle, bloß dass die Schauspieler in ihren Kostümen eher an einen Bison erinnerten, der vor einem kreiselnden Windrädchen steht.
    Desmond Duncan zog den dicken Mantel aus, der ihm sofort von einem kleinen Mann, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, abgenommen wurde.
    »Mensch, Val!«, sagte Desmond und sah sich in der Halle um. »Hast du es wieder mal geschafft!«
    Statt einer Erwiderung lächelte Val Lampman verkniffen und schaute fast zu beiläufig auf seine Armbanduhr.
    »Na schön«, sagte er. »Wenn jetzt alle da sind … Jeannette und Clifford, Kommando zurück! Ihr könnt wieder wegtreten. Dann machen wir heute Abend doch noch die Hauptrollen. Erste Leseprobe morgen früh um sieben Uhr dreißig, Kostüme um Viertel nach neun. Miss Trodd gibt in zwei Stunden die Texte aus.«
    »Jetzt oder nie«, flüsterte Daffy und verpasste Feely einen Rippenstoß. »Los, frag ihn!«
    Unten in der Halle zerstreute sich die Menge allmählich. Nur Val Lampman stand noch an der Treppe und kritzelte in sein Notizbuch.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte Feely.
    »Dummes Kamel!«, schimpfte Daffy. »Soll ich ihn fragen? Ich mach’s, das weißt du!«
    »Feely möchte als Komparsin mitspielen«, raunte Daffy mir zu. »Das ist ihr allergrößter Herzenswunsch.«
    »Gar nicht!«, widersprach Feely. »Pssst!«
    »Ach, Mr Lampman«, sagte Daffy laut, »meine Schwester …«
    Val Lampman schaute zu uns herauf.
    Feely knuffte Daffy in den Oberarm. »Lass das!«
    Ich stand auf, rieb mir kurz übers Gesicht, zupfte meine Kleider zurecht und schritt die Treppe auf eine Art und Weise hinunter, die Vater stolz gemacht hätte.
    »Mr Lampman?«, sagte ich, unten angekommen. »Ich bin Flavia de Luce. Ich lebe mit meiner Familie hier auf Buckshaw. Meine Schwester Ophelia ist siebzehn. Sie hofft, dass Sie ihr eine kleine Statistenrolle geben.« Ich zeigte nach oben. »Das wäre die dort oben, die durch das Geländer spitzelt.«
    Val Lampman hielt die Hand über die Augen und spähte ins Gebälk.
    »Zeigen Sie sich doch bitte, Miss de Luce«, sagte er.
    Feely kam erst auf die Knie und dann auf die Füße, klopfte sich den Staub ab und lehnte sich mit verlegenem Gesicht über das Geländer.
    Peinliche Stille trat ein. Val Lampman lüpfte seinen Hut und kratzte sich das dünne flachsblonde Haar.
    »Geht klar«, sagte er schließlich. »Wenden Sie sich morgen früh an Miss Trodd.«
    Im Verschlag unter der Treppe klingelte das Telefon. Ich hörte Dogger gemessenen Schrittes aus der Küche kommen, um den Anruf entgegenzunehmen. Nach einer gedämpften Unterhaltung kam er wieder zum Vorschein und sah mich auf der Treppe stehen.
    »Das war der Herr Vikar. Miss Felicity hat bei ihm angerufen und ihm mitgeteilt, dass Colonel de Luce über Nacht in London bleibt.«
    Dann schneit es in London auch wie Sau!, dachte ich mitleidlos.
    »Komisch, dass Tante Felicity nicht direkt bei uns angerufen hat.«
    »Sie hat es über eine Stunde lang versucht, aber es war immer besetzt. Deswegen hat sie beim Herrn Vikar angerufen. Wie’s der Zufall will, fährt er morgen früh ohnehin hinüber nach Doddingsley, weil er dort noch mehr Stechpalmen für den Kirchenschmuck holen will. Er hat freundlicherweise angeboten, Colonel de Luce und Miss Felicity am Bahnhof abzuholen und nach Buckshaw zu

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