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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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aus dem Zugfenster schauen dürfen.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Bergfink war, Lissy. Er hatte die typische …«
    »Papperlapapp. Geben Sie mir meine Tasche, Denwyn. Die mit der großen Messingschnalle.«
    Der Vikar schien ein wenig verblüfft, dass er so barsch herumkommandiert wurde, nahm aber die Reisetasche vom Rücksitz des Wagens und reichte sie an Dogger weiter.
    »Sehr vorausschauend, dass Sie an Winterreifen und Ketten gedacht haben«, sagte Tante Felicity. »Die meisten Geistlichen sind nämlich völlige Nieten, wenn es um Automobile geht.«
    Ich hätte ihr gern vom Bischof erzählt, hielt dann aber doch die Klappe.
    Tante Felicity steuerte in ihrer üblichen Resolutheit entschlossen auf die Haustür zu. Unter ihrem bodenlangen Reisemantel trug sie garantiert ihre komplette viktorianische Forscherausrüstung: eine Tweed-Jacke plus Tweed-Rock mit extra eingenähten Taschen für Schere, Federhalter, Sicherheitsnadeln, Messer und Gabel (sie reiste stets mit eigenem Besteck: »Man weiß nie, wer mit fremdem Besteck schon alles gegessen hat«, bläute sie uns immer ein); dazu Taschen für Schnüre in verschiedenen Stärken, Gummibänder, einen Apparat, mit dem man Zigarrenspitzen abschnitt, und einen kleinen Behälter für unterwegs mit Anchovispaste: »Die bekommt man seit dem Krieg nirgends mehr.«
    »Siehst du?«, rief sie, als sie die Eingangshalle betrat und den ganzen Krimskrams der Filmleute mit einem Blick erfasste. »Wie ich’s dir gesagt habe! Diese Kinomogule haben sich vorgenommen, jedes anständige Haus in England zu verwüsten. Das sind doch alles Kommunisten, einer wie der andere! Für wen drehen sie denn ihre Filme? ›Für die Leute‹. Als wären die Leute die Einzigen, die ein wenig Unterhaltung brauchen. Pah! Reicht es denn nicht, wenn die himmlischen Gastgeber ihr Manna verteilen?«
    Ich war froh, dass sie nichts von Gott gesagt hatte, denn das wäre die reinste Blasphemie gewesen.
    »Guten Morgen, Lissy!«, rief jemand. »Na, jetzt aber keine krummen Sachen mehr machen, was?« Es war Ted, der Elektriker, den Duncan so überschwänglich begrüßt hatte. Er stand auf einem Gerüst und hantierte an einem riesengroßen Scheinwerfer.
    Tante Felicity unterdrückte ein gewaltiges Niesen und kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch.
    »Kennst du ihn etwa, Tante Felicity?«, frage ich ungläubig.
    »Wir sind uns im Krieg mal begegnet. Manche Leute vergessen nie einen Namen oder ein Gesicht, weißt du. Wirklich erstaunlich. Und das auch noch bei der Verdunkelung damals, sehr verwunderlich.«
    Vater tat, als hätte er nichts gehört, und ging schnurstracks in sein Arbeitszimmer.
    »Aber wenn es während der Verdunkelung war«, fragte ich, »wie konnte er dann dein Gesicht sehen?«
    Tante Felicity schnaubte empört: »Unverschämte Gören wie dich sollte man mit sechs Schichten Schellack bepinseln und als Warnung für andere auf öffentlichen Plätzen ausstellen. Dogger, Sie können mein Gepäck auf mein Zimmer bringen.«
    Das hatte Dogger bereits getan.
    »Hoffentlich bin ich nicht im gleichen Flügel des Hauses wie diese Kommunisten«, brummelte Tante Felicity.
    Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht.
    Ihr Zimmer lag gleich neben dem von Phyllis Wyvern.
     
    Kaum war Tante Felicity davongestapft, kam auch schon Phyllis Wyvern selbst durch die Halle spaziert. Sie hatte ihren Text in der Hand und bewegte die Lippen, als lernte sie gerade eine schwierige Passage auswendig.
    »Mein lieber Herr Vikar! Wie wunderbar, Sie wiederzusehen.«
    »Die Freude ist ganz auf Seiten von Bishop’s Lacey«, erwiderte der Vikar. »Es kommt nicht oft vor, dass ein Besuch von solcher … äh … Strahlkraft unsere abgelegene Ortschaft beehrt. Ich glaube, Königin Elizabeth war im Jahre 1578 die letzte Berühmtheit, die zu uns kam. An unserer Kirche ist nämlich ein Messingschild angebracht.«
    Damit hatte er offensichtlich genau die richtigen Worte gewählt. Als Phyllis Wyvern ihm antwortete, schnurrte sie vor Behagen.
    »Ich habe über Ihren Vorschlag nachgedacht …«Sie machte eine lange Pause, als hätte ihr der Vikar einen Heiratsantrag gemacht und sie müsste es sich noch überlegen.
    Er wurde rot und lächelte wie ein verzückter Heiliger.
    »… und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir die Sache lieber früher als später angehen. Der arme Val muss sich mit einigen unvorhergesehenen Schwierigkeiten herumschlagen: Ein Arbeiter wurde verletzt, eine Kamera fehlt, und jetzt ist auch noch

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