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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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ein Generator eingefroren. Wahrscheinlich können wir ein paar Tage überhaupt nicht drehen. Ich weiß, dass die Zeit sehr knapp bemessen ist, aber könnten Sie womöglich gleich für morgen etwas arrangieren?«
    Die Miene des Vikars umwölkte sich.
    »Meine Güte!«, sagte er. »Auch wenn ich jetzt womöglich undankbar erscheine, aber da gibt es tatsächlich einige Probleme … ähm … praktischer Natur.«
    »Welche denn?«, erkundigte sich Phyllis liebenswürdig.
    »Nun ja … also … zum einen ist das WC im Gemeindesaal kaputtgegangen. Das bedeutet, dass wir keine Veranstaltungen abhalten können. Der arme Dick Plews, unser Installateur, liegt schon seit Tagen mit Grippe im Bett und dürfte nicht so bald wieder auf den Beinen sein. Der gute Mann ist schon zweiundachtzig, und obwohl er normalerweise fidel wie ein Zeisig ist, macht ihm diese Eiseskälte …«
    »Vielleicht kann einer von unseren Technikern …«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich fürchte, das ist noch nicht das Schlimmste. Auch unser Heizkessel fletscht wieder mal die Zähne. Wir nennen ihn immer ›das Ungeheuer im Keller‹. Es ist ein alter Deacon and Bromwell aus dem Jahre 1851. Er wurde damals bei der Londoner Industrieausstellung gezeigt – eine riesige eiserne Krake von einem Apparat, mit dem unberechenbaren Temperament eines Skorpions. Dick hat das Untier dennoch ins Herz geschlossen. Er kümmert sich sozusagen schon von Kindesbeinen an darum, seit er als kleiner Junge mit seinem Vater über die Dörfer gezogen ist. Er verhätschelt ihn auf geradezu unerhörte Weise, aber in den letzten Jahren musste er die Ersatzteile selbst von Hand gießen, und, nun ja …«
    Ich hatte gar nichts gehört, aber Vater war wieder aus seinem Arbeitszimmer gekommen und stand jetzt neben einem Kistenstapel.
    »Vielleicht gibt es ja noch eine näherliegende Lösung«, sagte er und trat vor. »Miss Wyvern, herzlich willkommen auf Buckshaw. Ich bin Haviland de Luce.«
    »Colonel de Luce! Was für eine Freude, Sie endlich kennenzulernen! Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Und ich stehe tief in Ihrer Schuld, weil Sie uns großzügigerweise Ihr reizendes Zuhause zur Verfügung stellen.«
    Reizendes Zuhause? Das war ja wohl nicht ihr Ernst. Aber sie ließ nicht erkennen, ob es ironisch gemeint war.
    »Ich bitte Sie«, erwiderte Vater. »Wir sind doch alle Schuldner, auf die eine oder andere Art.«
    Ein unbehagliches Schweigen trat ein.
    »Ich zum Beispiel«, fuhr Vater fort, »stehe in der Schuld meines Freundes, des Vikars, weil er meine Schwester und mich in Doddingsley vom Zug abgeholt hat. Ein äußerst gefahrvolles Unterfangen auf diesen tückischen Straßen, das er jedoch dank seiner überragenden Fahrkünste zu einem guten Ausgang gebracht hat.«
    Der Vikar murmelte etwas von Schneeketten und Winterreifen, gewährte dann aber Vater seine Momente im Scheinwerferlicht mit Phyllis Wyvern.
    Sie hielten einander immer noch an der Hand, als Vater fortfuhr: »Darf ich Ihnen Buckshaw als Spielort für Ihre Darbietung offerieren? Es ist ja nur für einen Abend, und es verstößt gewiss nicht gegen unsere Abmachung, wenn die Eingangshalle für ein paar Stunden freigeräumt und mit Stühlen ausgestattet wird.«
    »Ausgezeichnet!«, freute sich der Vikar. »Hier haben alle meine Schäfchen aus Bishop’s Lacey Platz, Männer, Frauen und Kinder, und für die Ellbogen ist auch noch genug Platz. Wenn ich es recht bedenke, ist diese Halle sogar noch geräumiger als der Gemeindesaal. Warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Für Plakate und Handzettel ist es jetzt natürlich zu spät, aber ich lasse Cynthia ein paar Eintrittskarten auf dem Hektografen anfertigen. Aber eins nach dem anderen. Zuerst muss sie die Damen von der Telefonkette verständigen, damit sie im ganzen Dorf durchklingeln und sich alle für die Veranstaltung anmelden können.«
    »Und ich spreche mit unserem Regisseur.« Phyllis Wyvern ließ endlich Vaters Hand los. »Er hat bestimmt nichts dagegen. Unter gewissen Umständen kann Val mir nichts abschlagen, und für diese Umstände werde ich schon sorgen.«
    Sie lächelte bezaubernd, aber mir fiel auf, dass sowohl Vater als auch der Vikar den Blick abwandte.
    »Ach, guten Morgen, Flavia«, sagte sie dann endlich, aber ihre Aufmerksamkeit für mich kam deutlich zu spät.
    »Guten Morgen, Miss Wyvern«, antwortete ich eisig und stolzierte mit einem Du-kannst-mich-mal-Gesichtsausdruck in Richtung Salon. Was Schauspielerei betraf,

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