Vorhang
nach. Er begriff, dass die erblichen Belastungen zu stark gewesen waren.
Nach ihrem Tod hatte er sich auf ein Leben als Junggeselle eingestellt. Nach den traurigen Erfahrungen, die er gemacht hatte, wollte er nicht mehr heiraten.
»Man fühlt sich allein sicherer«, sagte er schlicht.
»Ja, ich kann Ihre Empfindungen verstehen – zumindest als erste Reaktion.«
»Das Ganze war so furchtbar – es hat mich lange Zeit sehr verbittert gemacht.« Er schwieg eine Weile. »Es stimmt – einmal war ich noch sehr in Versuchung. Doch sie war so jung – ich dachte, es sei nicht anständig, sie an einen desillusionierten Mann zu binden. Ich war zu alt für sie – sie war noch ein richtiges Kind – so hübsch – so unberührt.«
Er schüttelte den Kopf und verstummte.
»Hätte man das Urteil darüber nicht ihr überlassen sollen?«
»Ich weiß nicht, Hastings. Damals glaubte ich es nicht. Sie – sie schien mich zu mögen. Aber, wie ich schon sagte, sie war so jung. Ich werde sie nie vergessen, wie sie am letzten Urlaubstag dastand. Den Kopf leicht zur Seite geneigt – der etwas verwirrte Blick – ihre kleine Hand – «
Er hielt inne. Seine Worte beschworen ein Bild herauf, das mir irgendwie bekannt vorkam, aber ich wusste nicht, warum.
Boyd Carringtons Stimme, die plötzlich rau geworden war, riss mich aus meinen Gedanken. »Ich war ein Dummkopf«, sagte er. »Jeder Mann, der die Gelegenheit nicht beim Schopf packt, ist ein Dummkopf. Nun sitze ich mit einem Haus da, das für mich viel zu groß ist und dem die Behaglichkeit und die Wärme fehlen, die nur eine Frau herbeizaubern kann.«
In seiner Art, die Dinge zu sehen, lag für mich ein altmodischer Charme. Sie erweckte in mir die Vorstellung einer verloren gegangenen Welt.
»Wo ist die Dame jetzt?«, fragte ich.
»Ach – verheiratet«, antwortete er kurz. »Tatsache ist jedenfalls, Hastings, dass mir nur noch das Junggesellenleben bleibt. Ich habe mich darauf eingestellt. Kommen Sie und schauen Sie sich die Gärten an. Sie sind sehr vernachlässigt worden, aber auf ihre Art sehr schön.«
Er führte mich herum, und ich war von allem sehr beeindruckt. Knatton war zweifellos ein sehr schöner Besitz, und ich verstand, dass Boyd Carrington stolz auf ihn war. Er kannte die Umgebung und die meisten Nachbarn gut, obwohl seit seiner Schulzeit natürlich neue Leute hinzugezogen waren.
Colonel Luttrell kannte er von früher her und äußerte die ernste Hoffnung, dass das Unternehmen Styles erfolgreich sein würde.
»Der gute alte George Luttrell ist ziemlich schlecht dran, wissen Sie«, sagte er. »Feiner Kerl. Ein guter Soldat und ein vortrefflicher Schütze. Ich war einmal mit ihm zusammen in Afrika auf einer Safari. Ach, das waren noch Zeiten! Er war damals zwar schon verheiratet, aber seine Frau kam Gott sei Dank nicht mit. Sie war eine hübsche Person – aber schon immer ziemlich bissig. Komisch, was Männer sich alles von ihren Frauen gefallen lassen! Der gute George Luttrell! Er war ein Vorgesetzter, vor dem alle Untergebenen zitterten! Und was für ein trauriges Bild er jetzt bietet – eingeschüchtert und unterdrückt! Die Frau hat wirklich Haare auf den Zähnen. Aber rechnen kann sie! Wenn jemand aus dem Laden Gewinn erwirtschaften kann, dann ist sie es. Luttrell war noch nie sehr geschäftstüchtig – doch Mrs Luttrell weiß, wie man was anpackt.«
»Sie ist immer so überschwänglich«, klagte ich.
»Ich weiß«, erwiderte Boyd Carrington schmunzelnd. »Die Freundlichkeit in Person. Aber haben Sie schon mal mit den beiden Bridge gespielt?«
»O ja«, antwortete ich beziehungsvoll.
»Im Allgemeinen vermeide ich es, mit Frauen Bridge zu spielen«, erklärte Boyd Carrington. »Und ich rate Ihnen das Gleiche.«
Ich erzählte ihm, wie unbehaglich mir und Norton am Abend meiner Ankunft zumute gewesen war.
»Genau. Man weiß nicht, wo man hinschauen soll!« Dann fügte er hinzu: »Netter Kerl, dieser Norton. Allerdings sehr still. Er beobachtet immer nur Vögel. Er hat mir erzählt, dass ihm nichts daran liegt, sie zu schießen. Sehr ungewöhnlich! Ihm fehlt jeder Sportsgeist. Ich habe ihm gesagt, dass ihm eine Menge entgeht. Ich kann mir nicht vorstellen, was er daran findet, durch kalte Wälder zu stapfen und Vögel durchs Fernglas anzuschauen.«
Der Gedanke, dass Nortons Hobby bei den künftigen Ereignissen eine bedeutende Rolle spielen könnte, kam uns nicht.
8
D ie Tage gingen dahin. Es war eine unbehagliche Zeit, in der ich ständig
Weitere Kostenlose Bücher