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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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rein zum Vergnügen in Styles aufhalten. Poirot war jedoch so erregt, dass ich ihm diese Möglichkeit nicht anzudeuten wagte. Ich sagte lediglich, dass mir das Ganze ziemlich hoffnungslos erscheine. Wir müssten uns in Geduld fassen…
    »Und abwarten«, führte Poirot meinen Satz zu Ende. »Wie Ihr Premierminister Asquith im Ersten Weltkrieg. Nein, mon cher, das dürfen wir eben nicht. Wohlgemerkt, ich behaupte nicht, dass wir Erfolg haben werden, denn wie ich bereits erwähnte, ist es schwer, einen Mörder, der zur Tat entschlossen ist, daran zu hindern. Aber wir können es wenigstens versuchen. Stellen Sie sich vor, Hastings, Sie sollen ein Bridgeproblem lösen. Sie kennen alle Karten, und von Ihnen wird verlangt, den Ausgang des Spiels vorauszusagen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Zweck, Poirot. Ich hab nicht die geringste Ahnung. Wenn ich wüsste, wer X ist – «
    Wieder fuhr mich Poirot wütend an. Er schrie so laut, dass Curtiss erschrocken aus dem Nebenzimmer herbeistürzte. Poirot schickte ihn fort, und als er verschwunden war, fuhr mein Freund in gemäßigterem Ton fort:
    »Hören Sie, Hastings! Sie sind nicht so dumm, wie Sie tun. Sie haben meine Zusammenfassung der Fälle gelesen. Wenn Sie auch nicht wissen, wer X ist, so kennen Sie doch seine Technik.«
    »Ach«, sagte ich, »ich verstehe.«
    »Natürlich verstehen Sie! Das Unglück mit Ihnen ist, dass Sie geistig träge sind. Sie lieben es, Ratespiele zu veranstalten. Doch Sie arbeiten nicht gern mit Ihrem Kopf. Was ist denn das wesentlichste Element von X’ Technik? Besteht es nicht darin, dass bei den Verbrechen nichts fehlt? Das heißt, das Motiv ist da, die Gelegenheit, das Werkzeug und, was am allerwichtigsten ist, ein Schuldiger für die Anklagebank.«
    Plötzlich begriff ich den springenden Punkt und merkte, wie dumm es von mir gewesen war, nicht früher darauf zu kommen.
    »Ich verstehe«, wiederholte ich. »Ich muss nach jemand Ausschau halten, der – auf den alle diese Punkte passen – nach dem möglichen Opfer.«
    Poirot lehnte sich zurück und seufzte erleichtert. »Enfin! Ich bin sehr müde. Schicken Sie mir Curtiss. Sie wissen jetzt, was Sie zu tun haben! Sie sind gesund und munter, Sie können herumlaufen, Leuten folgen, mit ihnen sprechen, hinter ihnen herspionieren…« Ich wollte schon empört protestieren, ließ es dann aber sein. Über diesen Punkt hatte es schon zu oft Streit zwischen uns gegeben. »Sie können Unterhaltungen belauschen, und Sie haben Knie, die noch funktionieren und Ihnen erlauben, sich vor Schlüssellöcher zu knien und hindurchzuspähen.«
    »Ich werde nicht durch Schlüssellöcher spähen«, unterbrach ich ihn heftig.
    Poirot schloss die Augen. »Also gut. Sie werden nicht durch Schlüssellöcher spähen! Sie werden weiterhin der englische Gentleman bleiben, und jemand wird getötet werden. Aber das spielt ja keine Rolle! Für einen Engländer kommt die Ehre zuerst. Ihre Ehre ist Ihnen wichtiger als ein Menschenleben. Bien! Ich habe verstanden.«
    »Nein, so war es nicht gemeint, Poirot – «
    »Schicken Sie mir Curtiss!«, sagte Poirot kühl. »Und gehen Sie! Sie sind dickköpfig und dumm, und ich wünschte, ich hätte jemand andern, dem ich vertrauen könnte, aber wahrscheinlich werde ich mich mit Ihnen und Ihren absurden Vorstellungen von Fairness abfinden müssen. Da Sie Ihre grauen Zellen nicht benutzen können, weil es Ihnen daran mangelt, benutzen Sie notfalls wenigstens Augen, Ohren und Nase – wenn Ihr Ehrenkodex es erlaubt!«
     
    Am folgenden Tag wagte ich es, Poirot eine Idee mitzuteilen, die ich schon längere Zeit mit mir herumtrug. Ich tat dies etwas zögernd, da man nie wissen kann, wie Poirot reagiert.
    »Ich habe mir Gedanken gemacht, Poirot«, begann ich. »Ich weiß, dass ich nicht der Hellste bin. Sie haben mich sogar dumm genannt – vielleicht mit gewissem Recht. Und seit Cinders’ Tod bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst – «
    Ich hielt inne. Poirot räusperte sich mitfühlend.
    »Aber es gibt einen Mann, der uns helfen könnte«, fuhr ich fort. »Er ist genau der Richtige für uns. Er verfügt über Intelligenz, Fantasie und die nötigen Mittel – er ist gewohnt, Entscheidungen zu treffen, und besitzt Erfahrung. Ich spreche von Boyd Carrington. Das ist der Mann, den wir brauchen, Poirot! Ziehen Sie ihn ins Vertrauen! Legen Sie ihm den Fall dar!«
    Poirot öffnete die Augen und sagte sehr entschieden: »Kommt nicht infrage!«
    »Aber warum nicht? Sie können

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