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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jung, aber immer noch eine sehr gut aussehende Frau war? Falls sie und Allerton jemals ein intimes Verhältnis miteinander gehabt hatten, wofür allerdings nicht der geringste Anhaltspunkt bestand, konnte sie aus Eifersucht zu einer solchen Tat getrieben werden. Doch wenn Allerton selbst X war…
    Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. Alle diese Überlegungen brachten mich keinen Schritt weiter. Ein knirschendes Geräusch auf dem Kiesweg unten im Garten erregte meine Aufmerksamkeit. Es war Franklin, der mit vorgebeugtem Kopf, die Hände in den Taschen, eilig aufs Haus zustrebte. Seine ganze Haltung drückte Niedergeschlagenheit aus. Als ich ihn so sah, in einem Moment, wo er sich unbeobachtet glaubte, erkannte ich, dass er ein sehr unglücklicher Mann war.
    Ich war so vertieft in seinen Anblick, dass ich nicht merkte, wie sich jemand näherte, und überrascht herumfuhr, als Miss Cole mich ansprach.
    »Ich habe Sie gar nicht kommen hören«, erklärte ich, während ich mich erhob.
    Sie betrachtete das Sommerhäuschen. »Ein richtiges viktorianisches Relikt!«
    »Ja, und voll Spinnweben, fürchte ich. Wollen Sie sich nicht setzen? Ich mache Ihnen einen Platz sauber.«
    Ich fand, dass dies eine gute Gelegenheit war, einen der Mitbewohner des Hauses besser kennenzulernen. Ich musterte Miss Cole verstohlen, während ich die Spinnweben entfernte.
    Sie war eine Frau etwa Mitte dreißig, etwas verhärmt, mit einem gut geschnittenen Profil und sehr schönen Augen. Ihr Wesen hatte etwas Reserviertes, ja etwas Misstrauisches. Mir kam plötzlich zu Bewusstsein, dass diese Frau gelitten haben musste und deshalb kein Vertrauen mehr zum Leben hatte. Ich wollte gern mehr über Elizabeth Cole erfahren.
    »So«, sagte ich, wobei ich zum letzten Mal mit dem Taschentuch über den Sitz fuhr, »sauberer wird es nicht.«
    »Danke schön«, meinte sie lächelnd und setzte sich. Ich ließ mich neben ihr auf dem Bänkchen nieder, das bedenklich knarrte, aber unser Gewicht trug.
    »Erzählen Sie mir, was Sie eben gedacht haben«, sagte Miss Cole. »Sie schienen ganz in Gedanken versunken zu sein.«
    »Ich habe Dr. Franklin beobachtet«, antwortete ich langsam.
    »Ach ja?«
    Ich sah keinen Grund, ihr meinen Eindruck zu verschweigen. »Er kam mir sehr unglücklich vor.«
    »Das ist er auch«, sagte Miss Cole. »Hatten Sie es vorher nicht bemerkt?«
    Meine Überraschung war mir, glaube ich, deutlich anzusehen. »Nein – nein – das habe ich nicht«, stammelte ich. »Ich war immer der Meinung, dass er vollkommen in seiner Arbeit aufgeht.«
    »Sie haben recht.«
    »Nennen Sie das unglücklich? Ich hätte gedacht, dass das ein sehr glücklicher Zustand ist.«
    »Oh, das bestreite ich nicht – nur ist es schlimm, wenn man dabei nicht tun kann, was man für notwendig hält. Wenn man nicht sein Bestes geben kann.«
    Ich blickte sie verwirrt an. »Letzten Herbst«, fuhr sie erklärend fort, »wurde Dr. Franklin die Chance geboten, nach Afrika zu fahren und seine Forschungsarbeiten dort fortzusetzen. Er ist, wie Sie wissen, ungeheuer interessiert an Tropenmedizin und hat auf diesem Gebiet bereits erstklassige Ergebnisse erzielt.«
    »Und er hat diese Chance nicht ergriffen?«
    »Nein. Seine Frau war dagegen. Sie hätte das Klima nicht vertragen und lehnte es ab, allein zurückzubleiben, vor allem auch deshalb, weil sie sich finanziell hätte einschränken müssen. Das Honorar, das Dr. Franklin geboten wurde, war nicht sehr hoch.«
    »Ach«, sagte ich und fügte langsam hinzu: »Und er hatte wohl das Gefühl, dass er sie in ihrem Zustand nicht alleinlassen durfte.«
    »Wissen Sie viel darüber, Captain Hastings?«
    »Nein – ich – Aber sie ist doch leidend, oder?«
    »Jedenfalls genießt sie es, krank zu sein«, sagte Miss Cole hart. Ich blickte sie zweifelnd an. Ihre Sympathien waren deutlich auf der Seite des Mannes.
    »Frauen, die kränklich sind«, meinte ich zögernd, »neigen vermutlich zu Egoismus?«
    »Ja, ich glaube, dass Kranke – chronisch Kranke – im Allgemeinen sehr egoistisch sind. Vielleicht darf man ihnen das nicht übel nehmen. Es ist so verständlich.«
    »Und Sie halten Mrs Franklins Krankheit nicht für sehr ernst?«
    »Oh, das möchte ich nicht behaupten. Es ist nur eine Vermutung von mir. Wenn ihr an einer Sache etwas liegt, ist sie anscheinend immer recht gut in der Lage, es auch auszuführen.«
    Ich dachte schweigend über das Gesagte nach. Miss Cole schien mit den Einzelheiten des Franklinschen Haushalts sehr vertraut zu

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