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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verantwortlich. Ich habe noch meinen armen John. Ich weiß genau, was für eine Last ich für ihn bin. Eine kranke, nutzlose Frau. Ein Mühlstein um seinen Hals.«
    »Ich bin überzeugt, dass er so etwas nie gesagt hat.«
    »Oh, gesagt natürlich nicht! Aber Männer sind so einfach zu durchschauen, die Ärmsten! Und John konnte seine Gefühle noch nie verbergen. Er möchte natürlich nicht unfreundlich sein, aber er ist – nun, zu seinem eigenen Glück ist er ein sehr unsensibler Mensch. Er hat keine Gefühle, und deshalb nimmt er an, dass andere auch keine besitzen. Was für ein Geschenk des Himmels, mit dickem Fell geboren zu werden.«
    »Ich würde Dr. Franklin nicht als dickfellig bezeichnen.«
    »Nicht? Aber Sie kennen ihn auch nicht so gut wie ich. Ich weiß natürlich, dass er sich viel freier fühlen würde, wenn es mich nicht gäbe. Manchmal bin ich so schrecklich deprimiert, dass ich denke, was für eine Erlösung es wäre, allem ein Ende zu machen.«
    »Aber hören Sie, Madame!«
    »Für wen bin ich denn schon von irgendwelchem Nutzen? Einfach wegzugehen ins große Unbekannte…« Sie schüttelte den Kopf. »Dann wäre John frei.«
    »So ein Unsinn«, meinte Schwester Craven, als ich ihr von dieser Unterhaltung berichtete. »Sie wird nichts dergleichen tun. Da können Sie ganz unbesorgt sein, Captain Hastings! Die Leute, die mit ersterbender Stimme davon reden, ›allem ein Ende zu machen‹, haben nicht die geringste Absicht, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen.«
    Und ich muss sagen, nachdem sich die Aufregung über Mrs Luttrells Verletzung gelegt hatte und Schwester Craven wieder verfügbar war, lebte Mrs Franklin sichtlich auf.
    An einem besonders schönen Morgen hatte Curtiss Poirot an ein von Buchen beschattetes Fleckchen in der Nähe des Labors gefahren. Es war einer seiner Lieblingsorte. Vom Ostwind war er vollkommen abgeschirmt, und auch sonst drang kaum eine Brise dorthin. Dies gefiel Poirot, der eine Heidenangst vor Zug hatte. Der frischen Luft misstraute er. Er hatte sich zwar dareingeschickt, sie in Decken gehüllt zu ertragen, aber meiner Meinung nach blieb er viel lieber im Haus.
    Ich ging hinunter, um ihm Gesellschaft zu leisten, und gerade als ich bei ihm anlangte, trat Mrs Franklin aus dem Labor.
    Sie war elegant und machte einen bemerkenswert munteren Eindruck. Sie erklärte, dass sie mit Boyd Carrington hinüber zu seinem Besitz fahren wolle, um ihn bei der Auswahl der Stoffe zu beraten.
    »Ich habe meine Handtasche gestern im Labor liegen lassen, als ich John besuchte«, sagte sie. »Armer John! Er und Judith sind nach Tadcaster gefahren, um irgendein chemisches Reagenzmittel zu besorgen, das sie aufgebraucht haben.«
    Sie ließ sich auf einen Stuhl neben Poirot sinken und schüttelte mit einer komischen Grimasse den Kopf. »Die Ärmsten – ich bin so froh, dass ich von Wissenschaft nichts verstehe. An einem schönen Tag wie heute kommt einem alles so kindisch vor.«
    »Lassen Sie das nur keinen Wissenschaftler hören, Madame!«
    »Nein, natürlich nicht.« Ihr Gesicht wurde ernst. »Sie müssen nicht denken, Monsieur Poirot«, meinte sie ruhig, »dass ich meinen Mann nicht bewundere. Im Gegenteil! Die Art, wie er nur für seine Arbeit lebt, finde ich richtig – großartig.«
    Ihre Stimme bebte ein wenig.
    Mir kam der Verdacht, dass Mrs Franklin sich darin gefiel, verschiedene Rollen zu spielen. In diesem Augenblick war sie ganz die ergebene, ihren Mann anbetende Ehefrau.
    Sie beugte sich vor und legte die Hand auf Poirots Knie. »John«, sagte sie ernst, »ist wirklich ein – eine Art Heiliger. Das macht mir manchmal fast Angst.«
    Ich fand, dass sie mit dieser Behauptung etwas übertrieb. Doch Barbara Franklin redete mit leuchtenden Augen weiter.
    »Er würde alles tun – jedes Risiko auf sich nehmen –, um das menschliche Wissen zu erweitern. Finden Sie das nicht großartig?«
    »Gewiss, gewiss«, beeilte sich Poirot zu versichern.
    »Aber manchmal«, fuhr Mrs Franklin fort, »sorge ich mich sehr um ihn! Ich meine, weil ich nicht weiß, bis zu welcher Grenze er gehen würde. Diese grässliche Bohne, mit der er jetzt experimentiert! Ich fürchte mich davor, dass er sie an sich selbst ausprobieren könnte.«
    »Er würde sicher entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreifen«, erklärte ich.
    Sie schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Sie kennen John nicht! Haben Sie nicht gehört, was er mit dem neuen Gas gemacht hat?«
    Ich verneinte.
    »Es war ein neues Gas, das

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