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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Schlüssels ausgelöst worden war.
    Es hatte mich auf dunkle Gedanken gebracht. Schloss Norton seine Tür nachts immer ab, überlegte ich? Hatte Poirot es ihm etwa geraten? Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass Poirots Zimmerschlüssel auf geheimnisvolle Weise verschwunden war.
    Meine Unruhe wuchs, während draußen das Gewitter tobte. Schließlich stand ich auf und schloss meine Tür ebenfalls ab. Dann legte ich mich wieder hin und schlief ein.
     
    Bevor ich mich zum Frühstück hinunterbegab, wünschte ich Poirot Guten Morgen. Er lag im Bett, und ich erschrak über sein schlechtes Aussehen. Sein Gesicht war von Schwäche und Müdigkeit gezeichnet.
    »Wie geht es Ihnen?«
    Er lächelte ergeben. »Ich bin noch vorhanden, mein Freund. Ich bin noch vorhanden.«
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein – ich bin nur müde«, seufzte er, »sehr müde.«
    Ich nickte. »Wie war es gestern Abend? Hat Ihnen Norton erzählt, was er damals sah?«
    »Ja, das hat er.«
    »Und?«
    Poirot schaute mich lange und nachdenklich an, bevor er antwortete: »Ich weiß nicht, Hastings, ob ich es Ihnen erzählen soll. Sie könnten es missverstehen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Norton«, begann Poirot, »Norton hat zwei Personen gesehen – «
    »Judith und Allerton«, rief ich. »Ich hab mir’s damals schon gedacht.«
    »Eh bien, non! Nicht Judith und Allerton! Ich wusste doch, dass Sie es missverstehen würden. Sie können immer nur eingleisig denken!«
    »Tut mir leid!«
    »Ich werde es Ihnen morgen erzählen. Ich muss über einiges nachdenken.«
    »Hilft es – hilft es uns bei unserem Fall weiter?«
    Poirot nickte. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf in die Kissen zurück.
    »Der Fall ist abgeschlossen. Ja, er ist abgeschlossen! Es müssen nur noch ein paar lose Fäden verknüpft werden. Gehen Sie nur frühstücken, mein Freund. Und schicken Sie bitte Curtiss zu mir!«
    Ich informierte den Diener und ging dann hinunter. Ich war gespannt auf Norton. Ich hätte nur allzu gern gewusst, was er Poirot erzählt hatte.
    Insgeheim war ich trotzdem nicht glücklich. Ich vermisste eine gewisse freudige Erregung an Poirot. Weshalb diese ständige Geheimnistuerei? Weshalb diese unerklärliche tiefe Traurigkeit? Was bedeutet das alles?
    Beim Frühstück fehlte Norton.
    Später schlenderte ich in den Garten. Die Luft war nach dem Unwetter frisch und kühl. Ich bemerkte, dass es stark geregnet hatte. Ich freute mich, als ich auf Boyd Carrington traf, und wünschte mir sehr, ihn ins Vertrauen ziehen zu können. Ich hatte es schon lange vorgehabt, und jetzt war ich sehr versucht, es zu tun. Poirot war wirklich nicht mehr in der Lage, allein weiterzumachen.
    Boyd Carrington strahlte an diesem Morgen eine solche Vitalität und Selbstsicherheit aus, dass ich mich bei seinem Anblick ganz gestärkt und ermutigt fühlte.
    »Sie sind spät dran«, meinte er.
    Ich nickte. »Ich habe lange geschlafen.«
    »Heute Nacht gab es ein Gewitter. Haben Sie es gehört?«
    Ich erinnerte mich jetzt, dass ich es auch im Schlaf noch donnern gehört hatte.
    »Gestern Abend hat mir das Wetter ein wenig zu schaffen gemacht«, sagte Boyd Carrington. »Heute fühle ich mich viel besser.« Er reckte die Arme und gähnte.
    »Wo steckt Norton eigentlich?«, fragte ich.
    »Ich glaube, er ist noch gar nicht auf. So ein Faulpelz!«
    Wie auf Kommando blickten wir beide die Hauswand empor. Genau über uns befanden sich die Fenster von Nortons Zimmer. Ich stutzte. Auf der ganzen Front waren seine Läden die Einzigen, die noch geschlossen waren.
    »Das ist seltsam«, sagte ich. »Glauben Sie, man hat vergessen, ihn zu wecken?«
    »Ja, komisch. Hoffentlich ist er nicht krank. Wir sollten vielleicht nachschauen.«
    Wir gingen gemeinsam hinauf. Im Gang begegnete uns das Hausmädchen, eine dümmlich aussehende Person. Auf unsere Frage antwortete sie, dass Mr Norton sich auf ihr Klopfen nicht gerührt habe. Sie habe ein- oder zweimal geklopft, aber er scheine es nicht gehört zu haben. Seine Tür sei abgeschlossen.
    Mich überfiel eine schlimme Vorahnung. Ich pochte laut gegen die Tür und rief dabei: »Norton – Norton. Wachen Sie auf!«
    Und als sich nichts rührte, wiederholte ich mit wachsender Unruhe: »Wachen Sie auf…«
     
    Nachdem uns klar geworden war, dass wir keine Antwort erhalten würden, suchten wir Colonel Luttrell. Während er sich unseren Bericht anhörte, nahmen seine blassblauen Augen einen bestürzten Ausdruck an. Er zupfte unsicher an seinem

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